Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
Vom Netzwerk:
für mich zu bemühen. Das war vor über zwei Jahren. Nichts hat sich getan. Ich…«, er sah aus dem Fenster, »… ich war auch hier wieder zu blöd. Als ich gemerkt habe, daß mich keiner meiner Kollegen bei der >Münchner Zeitung< unterstützte, habe ich einige, sagen wir einmal, ganz und gar nicht-lateinische Worte gebraucht.«
    »Was war blöd daran? Ich hätts nicht anders gemacht.«
    »Nichts war blöd daran. Ich beklage mich nicht. Ich habs gewollt, ich habs getan, würds wieder tun. Und zahle dafür, c’est tout.«
    Er klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Geschirr klirrte leise. »Ich hab die Nase voll gehabt. Ich wollte nichts mehr mit diesem…«, er unterdrückte einen trockenen Husten, »… diesem Beruf zu tun haben. Nicht allein, weil die Kollegen mich, wie es drauf angekommen ist, im Regen haben stehen lassen. Nein, auch deswegen: Du kannst schreiben, was du willst und wie du willst, kannst es diplomatisch und verbindlich angehen oder so bös und scharf und verächtlich, daß man meint, die Seite, auf die es gedruckt wird, müßte in Rauch aufgehen. Es nutzt nichts, es ist alles Kasperei, und es ändert sich gar nichts. - Im Gegenteil, es scheint alles schlimmer zu werden.«
    Kajetan hatte ihn besorgt betrachtet.
    »Weiß nicht.« Er zuckte ratlos mit den Schultern. »Vielleicht kommts drauf an, was einer erwartet. Wenn man schon damit zufrieden war, daß man denen, die der gleichen Meinung sind, das Gefühl gibt, damit nicht allein in der Welt zu sein… verstehens, was ich mein?«
    Teobalt preßte die Lippen aufeinander und lächelte gequält.
    »Ja, ich weiß, was Sie meinen. Vielleicht haben Sie recht, und ich bin tatsächlich etwas größenwahnsinnig.«
    »Haben Sie gesagt.«
    Teobalt erwidert nichts. Gedankenverloren rührte er in seiner Tasse, in der sich nur noch ein körniger Bodensatz befand. Die beiden Männer schwiegen.
    »Schluß jetzt!« sagte Teobalt entschlossen. »Ich rede und rede. Was ist eigentlich mit Ihnen? Haben Sie nicht auch früher in einem anderen Beruf gearbeitet? Eigentlich ist es schön, daß man sich endlich etwas mehr kennenlernt. Das Komische ist bloß, daß dafür zuerst was schiefgehen muß.«
    Kajetan lachte leise. »Stimmt.«
    »Also, was war Ihr früherer Beruf?«
    »Polizist.«
    »Gehens weiter! Sie?« fragte Teobalt ungläubig.
    »Doch. Zuletzt war ich Kriminalinspektor in Dornstein. Zuvor in München.«
    Teobalt wiegte ungläubig den Kopf. Kajetan verzog den Mund zu einem bitteren Grinsen.
    »Dann lassens mich raten, Herr… gehens, wir sind doch, die vier oder fünf Jahre, die ich Ihnen voraus hab, fast der gleiche Jahrgang. Sollten wir nicht endlich Du zueinander sagen, Herr Kollege? - Emil.«
    Kajetan war damit einverstanden und nannte seinen Vornamen.
    »… Ich rat«, fuhr Teobalt fort, »daß du nicht eben freiwillig ausgeschieden bist, Paul.«
    »Nicht daneben.«
    »Also voll drin. Erzähl, wieso?«
    »Hab halt auch mein Maul nicht halten können.«
    »Hätt mich auch gewundert. Wird aber wieder nicht vernünftig gewesen sein.«
    Nein, das sei es nicht gewesen, bestätigte Kajetan und erzählte, daß er wegen Befehlsverweigerung und verleumderischer Anschuldigung gegen seinen Vorgesetzten entlassen worden war. Emil hörte aufmerksam zu.
    »Wo liegt denn der Ort, an den man dich versetzt hat?«
    »Dornstein? Das ist eine kleine Stadt im Südosten, in der Nähe der Grenze. Aber - lassen wir die alten Geschichten. Kriegst du eigentlich eine Unterstützung von irgendwo her?«
    Teobalt schüttelte den Kopf. »Du vielleicht?«
    »Bei unehrenhafter Entlassung gibts nichts.«
    »In meinem Beruf erst recht nicht. Außerdem - von den paar Mark, die es bei der Erwerbslosenfürsorge gibt, kann keiner leben.«
    »Ein paar müssens scheinbar doch.«
    Teobalt stieß den Atem durch die Zähne und nickte ernst.
    »Ein paar? Die halbe Stadt muß es. Aber diese entwürdigende Prozedur erspar ich mir, solange es geht. Außerdem …«, wieder hustete er, »… solange einer arbeitsfähig ist, wie ich, gibts nichts.«
    Kajetan kannte diesen Husten.
    Es war dunkel geworden. Emil Teobalt legte einige Münzen auf den Tisch, bat Kajetan, für ihn zu bezahlen, und verabschiedete sich. Man würde sich wiedersehen, irgendwann.
    Die Tür fiel zu. Kajetan fühlte sich plötzlich verlassen und versuchte, gegen die Unruhe zu kämpfen, die sich in ihm ausgebreitet hatte.
    Seine Ersparnisse waren seit Monaten aufgebraucht, und der Rest des Wochenlohns, der ihm noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher