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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
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nicht mehr leisten. Was Arbeit betrifft: Da werde ich dasselbe tun. Was sonst?«
    »Eben.« Kajetan nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Dann beugte er sich neugierig vor. »Aber sagens - Sie sind doch eigentlich ein Studierter?«
    »Eigentlich schon.«
    »Und man hat sich erzählt, daß Sie bei der >Münchner Zeitung< gearbeitet haben. Wieso fangen Sie statt dessen als Hilfsarbeiter im Kopierwerk an? Und wieso könnens das nicht wieder tun?«
    Teobalt zögerte mit seiner Antwort. »Das war eine längere Geschieht.«
    Kajetan nickte ihm aufmunternd zu. »Wir haben ja jetzt Zeit, oder nicht?«
    »Na, meinetwegen. Es stimmt. Ich bin, wie Sie sagen, ein Studierter und hab nach meinem Studium bei der Zeitung angefangen. Erst in Berlin, danach in Augsburg, zuletzt in München. Es ist immer ordentlich aufwärts gegangen, und nebenbei hab ich einige Bücher publiziert. Aber nur solange, bis mein letztes Buch - Buch ist übertrieben, es war eher eine dünne Broschüre - erschienen ist.«
    »Worum ist es darin gegangen?«
    Teobalt tat unschuldig. »Oooch…«
    Kajetan grinste zurück. »Weiß schon. Lateinisch verpackte Unverschämtheiten. Hab ich recht?«
    Sein Gegenüber wurde ernst. »Nein. Es war eine Broschüre, die ich für die deutsche Sektion der Menschenrechts-Liga verfaßt habe.«
    »Für wen?«
    »Die kennen Sie nicht? Eine Schande - nein, nicht für Sie! Für die Liga! Haben Sie gar nichts mitbekommen von der Kampagne für Sacco und Vanzetti? Wirklich gar nichts?«
    »Doch… ich erinnere mich. Waren das nicht… in Italien oder wo…?«
    »Anarchisten?« Teobalt schien aufzuleben. »Nein. Es handelt sich um harmlose Gewerkschaftsmitglieder in den Vereinigten Staaten, die man zum Tode verurteilt hat. Sie haben wirklich nie davon gehört?«
    Kajetan verneinte.
    »Nicola Sacco und Giacomo Vanzetti sind…« Teobalt brach ab. »Lassen wir es. Ich erzähls Ihnen ein andermal. Zurück zu meiner Broschüre. Interessiert Sie es noch?«
    »Erzählens schon!«
    »In dieser Broschüre - es waren nicht einmal zwanzig Seiten und das magerste, was je von mir veröffentlicht worden ist -, da habe ich nichts getan als aufzulisten, wie die Justiz des Deutschen Reichs mit linken und rechten Putschisten, also mit den Räteleuten einerseits und den Kapp-Putschisten andererseits umgegangen ist.«
    »Oha«, sagte Kajetan ahnungsvoll.
    »Sehr richtig. Bei der Aufrechnung der gegen beide Parteien ausgesprochenen Zuchthausstrafen bin ich auf ein leichtes Unverhältnis von 373 zu 0 Jahren gekommen. Welche Zahl zu welcher Seite gehört, überlasse ich Ihrer Phantasie.«
    »Dreihundert… zu Null? Aber ist nicht der Eisner-Mörder zu lebenslänglich…?«
    Aus Teobalts Stimme tönte leichte Ungeduld, als er Kajetan unterbrach.
    »Von Zuchthaus rede ich! Und nicht von einem kommoden Festungsaufenthalt in Landsberg, in dem man sich einen eigenen Koch leisten kann und einen Salon, nobler als zuvor. Nebenbei, weil Sie grad von Lebenslänglich reden - haben Sie nicht mitgekriegt, daß der Graf Arco, der den Ministerpräsidenten erschossen hat, vor gut vier Wochen bereits wieder entlassen worden ist? Zum Ausgleich sitzt der Mühsam, der keinen umgebracht hat, noch immer. - Sie können den Mund wieder zumachen. - Aber wieder zurück: Kaum war das Büchlein veröffentlicht, brach die Hölle los. Private Details erspare ich Ihnen, beispielsweise, daß ich danach nicht mehr allzu lange mit der Tochter einer angesehenen Familie verlobt war, oder, daß ich seither an einer nicht völlig ausgeheilten Kieferfraktur leide.«
    »Was ist passiert?«
    »Ein Verein, der sich >Wirtschaftsverein ehemaliger Angehöriger der Reichswehr< nannte und den ich der Konspiration gegen die Republik verdächtigt hatte, hat einen unwesentlichen Fehler entdeckt, mich verklagt und, nachdem ein Informant seine Aussage nicht beeiden wollte, diesen Prozeß auch gewonnen. Meine Stelle in der >Münchner Zeitung< - Sie wissen, dieses tapfere liberale Blatt - habe ich von einem Tag auf den anderen verloren. Ich hatte zwar ein paar Mark gespart. Danach aber war ich ruiniert. Und weil ich wohl nicht die besten Nerven hab, auch gesundheitlich.«
    »Was habens denn?«
    »Weiß nicht«, antwortete Teobalt niedergeschlagen. »Da ist… manchmal so eine unendliche Müdheit. Als könnt ich kerzengrad umfallen.«
    »Aber…«
    »Ich weiß, was Sie fragen wollen. Natürlich fühlte sich die Liga verantwortlich. Aber deren Macht reicht nicht weit. Man hat mir zugesagt, sich um eine Stellung
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