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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
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riet, gab er, wenn sich Gelegenheit bot, gern zum besten. »Gehns, Herr Jaffe«, wollte er gesagt haben, »dann nehmens halt einen anderen und machen mit dem einen zweiten Teil: Der König im Alter!« Mit tränenfeuchten Augen habe ihm der Regisseur gedankt und sei seinem Rat gefolgt. Daß jedoch Publikum und Kritik sich nicht vorstellen konnten, daß der edle König innerhalb weniger Jahre vom jugendlich aufrechten Zwei-Meter-Recken zum kleinwüchsigen und quergesichtigen Vierschröter mutiert sei, erwähnte Ostler, wenn überhaupt, nur ungern.
    Ebenso ungern erinnerte er sich auch an den Besuch jenes Frechlings aus Berlin, der sich an einer Bergfilmkomödie versuchen wollte und deutlich zeigte, daß er seine belichteten Rollen nur gezwungenermaßen in München bearbeiten ließ. »Mein Herr«, wollte Ostler ihm gesagt haben, »Sie dürfen uns schon glauben, daß wir uns auskennen, wenn es um Bergsachen geht.« Worauf der aufgeblasene junge Mann geantwortet hätte, daß ihm die Berge schnurz wären, eine verkehrt gesetzte Kreisblende hingegen nicht. Der Kopiermeister hatte später befriedigt feststellen können, daß gerade dieser Film, eine verquere Groteske um die Liebe einer in den Bergen hausenden Räuberin zu einem eitlen Verführer, ein Reinfall wurde, und mit noch größerem Genuß durfte er nach wenigen Monaten verfügen, daß die Kopie dieses Films aus dem überquellenden Filmlager geworfen und auf die Müllhalde gekarrt wurde. Kopiermeister Ostler erinnerte sich ebenso ungern daran, daß der vorlaute Berliner einmal von seiner Hauptdarstellerin begleitet worden war, was die Zurechtweisung wegen der verpatzten Blende um so peinlicher gemacht hatte.
    An dieses Erlebnis mußte er denken, als er die Viragierung der neuen Filmkopien überprüfte. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Brauen.
    »Wer hat die Negri eingetaucht?« brüllte der Kopiermeister, »Kajetan?! Warst epper du das?«
    Der Angesprochene, eine erst vor wenigen Wochen eingestellte Hilfskraft, antwortete vom anderen Ende der Reihe von Färbebottichen.
    »Die wen?«
    »Geh her da!« herrschte der Meister. »Wirds bald?«
    Der Gehilfe kam. Ostler hob einen Streifen gegen das Mattlicht, deutete mit dem behandschuhten Finger darauf und sah den Kopierwerkshelfer streng an. Ein grauer Arbeitsmantel umschlotterte den nicht sonderlich großen, ziegenbärtigen Mann.
    »Was… was ist damit?« Kajetan verstand nichts. »Wer die Negri eingetaucht hat, habe ich gefragt! Red ich böhmakisch?«
    »Die Negri? Das war ich.«
    »Natürlich. Wer denn sonst? Und wieso…« Der Kopiermeister legte die Rolle auf den Tisch und verschränkte die Arme, »… hast die Negri blau gemacht?«
    Kajetan ahnte, daß Ostler, dessen Gesicht rot angelaufen war, kurz vor einem cholerischen Ausbruch stand. Aber noch immer begriff er nicht, was den Meister so erregte.
    »Aber…«, sagte er unsicher, »so ist es doch draufgestanden in der Färbnotiz vom Teobalt.«
    Ostler holte Luft. »Der Herr Teobalt ist nicht der Chef da herinn!« brüllte er unbeherrscht. »Da herinn ist der Teobalt ein kleines Würsterl und hat da gar nichts zum melden. Teobalt?! Daher!«
    Er wandte sich nicht um, als wenig später ein blaßgesichtiger, hochgewachsener und hagerer Mann mittleren Alters mit bestürzter Miene an den Tisch trat.
    »Herr Teobalt«, in Ostlers Stimme mischten sich Zorn und Hohn, »wie kommt Er drauf, daß die Negri blau werden soll?«
    »Ich…«, stotterte der Mann eingeschüchtert, »ich habs so übertragen, wie es in den Notizen des Regisseurs steht. Sehns selbst…« Er blätterte aufgeregt in einem Stapel Papier.
    Ostler wandte sich ihm zu und kippte seinen Kopf in den Nacken. Streng fixierte er den Blick Teobalts.
    »Und was hab ich Ihm gesagt? Ha?«
    »Sie sagten: rose. Aber ich dachte, daß das ein Irrtum sein muß, weil…«
    »Irrtum?«
    »Pardon…, aber…«
    »Ist das eine Zimmer-Szene oder nicht?«
    »Schon…, aber…«
    »Und gehört nicht eine Zimmer-Szene rose eingetaucht?«
    »Schon…«
    »Schon was, Teobalt?«
    »Es… ist doch aus dem Zusammenhang erkenntlich, daß es sich um ein unbeleuchtetes Zimmer handelt, also…« Ostlers Augen hatten sich verengt.
    »Er verdient bei mir offenbar so gut, daß Er alle daumlang ins Kino rennen kann?«
    »Nein«, entgegnete der junge Mann, »alle daumenlang nicht. Aber dieser Film…«
    »… ist ein Krampf, nebenbei gesagt!«
    Emil Teobalt stand schmal und fest vor Ostler. Nein, meinte er, dieser Film sei ein
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