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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin
Autoren: Robert Hueltner
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distanzierten und als überzeugte Republikaner gaben, höchst aktiv an der Vorbereitung des mißglückten Aufstandes beteiligt waren. Eines der Kapitel war überschrieben: »Putschvorbereitungen«. Kajetan blätterte uninteressiert weiter.
    Plötzlich hielt er inne. Er hatte einen bestimmten Namen gelesen. Hastig suchte er eine Seite, die er bereits überschlagen hatte. Sein Atem stockte.
    Emil Teobalt beschrieb eine republikfeindliche Organisation, die sich um einen ehemaligen Major der Reichswehr gebildet hatte und deren Zentrum sich in einem kleinen Ort namens Walching, nah der österreichischen Grenze, befand. Dieser Gruppe hatten sich mehrere hochrangige Beamte der Gendarmerie angeschlossen, darunter auch der Leiter der Dornsteiner Bezirksinspektion. Nach einem Feme-Mord an einem Bauernmädchen sowie der mysteriösen Explosion eines Waffenlagers in einem Bergwerksstollen hätte sie sich zunächst wieder zurückziehen müssen, da der Verdacht immer lauter geworden war, wichtige Vertreter von Politik und Obrigkeit würden ihr angehören. Der Dornsteiner Kriminalrat, nachweislich einer der maßgeblichen Köpfe dieses geheimen Bundes, hätte es sich jedoch nicht nehmen lassen, sich am Vorabend des Putsches nach München zu begeben. Allerdings sei ihm die Ehre des Heldentodes vor der Feldherrnhalle versagt geblieben - nach einem exzessiven Besäufnis nach Hitlers Coup im Bürgerbräukeller hatte ihn ein Herzschlag ereilt.
    Heftig klappte Kajetan die Broschüre zu. Er starrte fassungslos ins Leere. Wieder öffnete er den dünnen Band: Fußnoten verwiesen auf Untersuchungsprotokolle, Zeitungsartikel, Bücher.
    Er schnellte unwillkürlich empor, blieb starr und verwirrt stehen und setzte sich wieder.
    »Da schau her! Die Polizei ist auch schon da!« scherzte eine muntere Stimme hinter ihm. Er fuhr herum. Die Fürsorgebeamtin, in ein feiertägliches Dirndl gekleidet, lächelte ihm zu. »So ein Zufall«, meinte sie, »gehns auch zum Musikfest?«
    Er schoß hoch. Sie quiekte erschrocken auf. »Erdrückens mich nicht!« japste sie fassungslos.
    Er ließ sie los und tippte mit dem Zeigefinger aufgeregt auf Emils Broschüre. »Ich hab recht gehabt! Ich hab recht gehabt, wie ich meinen Vorgesetzten damals bezichtigt hab, in die Geschieht verwickelt gewesen zu sein!«
    »Was für einen Vorgesetzten?« Sie verstand nichts und wich etwas zurück.
    »Den Kriminalrat von Dornstein! Der hat mit den Verbrechern, die das arme Ding umgebracht haben, unter einer Decke gesteckt!«
    »So«, sagte sie.
    »Ich habs rausgefunden, habs aber nicht beweisen können und bin deswegen entlassen worden. Und hier steht«, wieder wedelte er mit der Broschüre, »daß ich recht gehabt hab! So sagens doch…«
    »Ja, was denn?«
    »Ich muß doch wieder eingestellt werden, wenns eine gibt auf der Welt, eine Gerechtigkeit, oder?« Sie begann zu verstehen. »Eine - was…?«
     
     
    Nachwort des Autors
     
    Über das weitere Schicksal der Godin habe ich nicht mehr viel in Erfahrung bringen können. Die entsprechenden Eintragungen der Gemeinde Sarzhofen scheinen, um es höflich zu formulieren, etwas nachlässig geführt worden zu sein. Auch existiert auf dem alten Friedhof von Wengen bei Sarzhofen, auf dessen Gemarkung das Höllbachtal liegt, keine Grabstätte mit der Aufschrift »Maier, Marie Anna« - so der Schreibname der Müllnerin.
    Auch die Fabler in der Stube des Sarzhofener Klosterbräu, die mir vor einigen Jahren von der Godin erzählt hatten, wußten nur noch, daß sie nie vor ein Gericht gestellt worden sei und daß sie sich wieder verheiratet hätte (möglicherweise Pius Fleischhauer? Eine Photographie in der Ortschronik zeigt zwar einen Mann an ihrer Seite, doch die schmale, ernst und kränklich wirkende Gestalt hat wenig mit meiner Vorstellung des Detektivs zu tun).
    Man erinnerte sich daran, daß beide ein so verliebtes wie zerstrittenes Paar gewesen seien, und einmal, beim Metzger-Hansl soll es gewesen sein, hätte die Müllnerin bei den Sarzhofener Frauen mit dem Ausspruch »Kaum wart’ eins dreißig Jahr auf ein Mannsbild - schon kommts daher!« für herzliches Gelächter gesorgt. Beide seien schließlich nach nicht allzulanger Zeit zu einer größeren Reise aufgebrochen (nach Kanada, meinten die einen, nach Südamerika ein anderer), von der sie nicht mehr nach Sarzhofen zurückgekehrt seien.
    In der alten Mühle, die mittlerweile längst in andere Hände übergegangen und zu einem rustikalen Wochenenddomizil umgebaut worden ist, wußte
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