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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
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– »Darkside hin oder her, du musst deine Schulausbildung abschließen« –, aber sie wussten beide, dass er das im Grunde seines Herzens nicht ernst meinte. Alain verstand besser als irgendjemand anderes, was in einem vor sich ging, wenn man von der Rückkehr in die Schattenwelt träumte. Sie verbrachten viele Nächte damit, in den Lightside-Büchern zu blättern, die er gesammelt hatte und die verschlüsselte Hinweiseauf Darkside enthielten. In diesen Momenten wusste Jonathan, dass Carnegie recht gehabt hatte, ihn wieder zurückzuschicken, aber dennoch hoffte er, dass der Wermensch bald auftauchen würde, um ihn zurück nach Darkside zu holen.
    »Entschuldigung, Junge?«
    Ein hochgewachsener Polizist verstellte Jonathan den Weg und riss ihn aus seinen Gedanken. Er runzelte die Stirn auf eine Art, die Jonathan nur zu gut kannte.
    »Gibt es einen Grund, warum du nicht in der Schule bist?«
    Jonathan grinste den Mann an.
    »Nicht den geringsten. Was wollen Sie deswegen unternehmen?«

    Das ist schon viel besser!, dachte Jonathan, als er durch die Halle sprintete und zwei Stufen auf einmal die Rolltreppe hinaufstolperte. Früher hätte er eine Verfolgungsjagd an solch einem belebten Ort vermieden, aber diesmal war es anders. Diesmal machte es Spaß. Sein Körper war in Schwung gekommen und dankbar für den Adrenalinschub. Als er über die Schulter zurückblickte, bemerkte Jonathan, dass der Polizist bereits schwer schnaufte und seine Wangen rot leuchteten. Seine Kondition reichte für diese Jagd nicht aus.
    Jonathan schlängelte sich durch die Menge und rannte im Obergeschoss des Einkaufszentrums an einemFast-Food-Restaurant vorbei. Er hatte beinahe die Schiebetüren am Ende des Ganges und somit die Freiheit erreicht, als er ein paar Wachmänner aus einem Bekleidungsladen kommen sah. Der eine von den beiden blickte Jonathan direkt in die Augen und sprach hektisch in sein Funkgerät. Super. Jetzt hatte man ihn wahrgenommen.
    Die Situation wurde ernst. Er befand sich in Gefahr, wirklich erwischt zu werden. Jonathan bog scharf links ab und stürzte in ein Kaufhaus, wo er an Regalen mit Fertiggerichten und Damenbekleidung vorbeihuschte. Er bewegte sich so schnell und lautlos, dass die meisten der Kunden ihn gar nicht bemerkten. Hinter sich hörte er den Lärm seiner Verfolger und das laute Klappern von Kleiderbügeln, die zu Boden fielen, während die großen und schweren Männer sich zwischen den Ständern hindurchkämpften. Jonathan entfernte sich von den Kassen und hielt verzweifelt Ausschau nach einer Tür oder Treppe, als sein Herz plötzlich schneller schlug. Ein Notausgang direkt vor ihm in der Wand!
    Jonathan stürzte durch die Tür und fand sich blinzelnd im grellen Sonnenlicht auf dem Parkplatz wieder. Ohne zu zögern, rannte er weiter, duckte sich und tauchte ein in das Labyrinth der Autos. Er hörte Schritte auf dem Teerbelag, aber Jonathan wusste, dass er nun in Sicherheit war. Sie würden ihn niemals zwischen all diesen Autos finden.
    Als er das andere Ende des Parkplatzes erreichte, kniete sich Jonathan hinter ein blaues Cabriolet, um wieder zu Atem zu kommen. Er spähte über die Motorhaubeund erhaschte einen Blick auf seine drei Verfolger, die sich hilflos einige Reihen von ihm entfernt beratschlagten. Der Polizist stieß einem der Wachmänner mit dem Finger gegen die Brust und stapfte anschließend zurück zum Einkaufszentrum.
    Jonathan ließ sich nieder, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Auto und holte ein paar Mal tief Luft. Viel zu schnell wich das Adrenalin aus seinem Körper, und er fühlte, wie die vertraute Leere wieder in ihm aufstieg. Er wollte gerade aufstehen und sich auf den Nachhauseweg machen, als von hinten eine Hand auftauchte und sich auf seinen Mund legte.

2
    Als Nigel Winterford seinen Blick durch den Auktionsraum schweifen ließ, stellte er überrascht fest, dass er etwas angespannt war. Im Laufe seiner Karriere als Auktionator bei einem der berühmtesten Auktionshäuser Londons hatte er bereits Tausende Versteigerungen geleitet. Der Auktionsraum war seine Bühne und er war der souveräne, hammerschwingende Strippenzieher. Von seinem Podium aus hatte Nigel in aller Ruhe den Verkauf des teuersten Gemäldes aller Zeiten abgewickelt – ein Frühwerk Vincent van Goghs, das ein arabischer Scheich für zehn Millionen Pfund ersteigert hatte. Als sich zwei amerikanische Geschäftsmänner wegen einer Skulptur von Rodin geprügelt hatten, hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Er
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