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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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ich für immer in ihrem Bann bleiben.” Noch einmal blickte er sich um. “Wenn ich sie hier nicht finde, schwindet auch meine letzte Hoffnung, mit meinen Liedern die Feste ihres Herzens zu erobern.” Er seufzte. “Wir wohnen Kammer an Kammer, aber ich bin zu verzagt, um sie noch einmal anzusprechen.” Er ließ den Kopf hängen, und mitleidiges Getuschel erhob sich. “Zu grausam hat sie mich bei der letzten Begegnung von sich gewiesen. Doch hier ist ihr Lied. Tragt es weiter, vielleicht findet es sie.”
    Er ho b an.
    “O weh, Sommerfreude, dass ich auf dich verzichten soll!
    Der mir dich missgönnte, erfahre Hilfe nie für seinen Herzenskummer,
    und auch nicht die Schöne, nach der mein Herz so gestrebt.
     
    Beklagte ich doch eigens, was ich all an Leid erfuhr,
    dann nimmt es mich w under, dass so mancher mir nicht gönnt,
    wenn Liebes mir geschähe von dem besten Weib ,
    das mein Auge je erblickt hat.
     
    Sie trägt an sich , was immer man als gut verstanden hat.
    Wenn sie mich auch verschmähe, ich glaub es nicht ,
    Dass sie es so im Herzen wirklich meine .
     
    Muss ich auf sie verzichten,
    geschieht ’s mit meinem Willen nie!
    Besser wäre mir der Tod
    als eine solche Sehnsuchtsqual, die kein Ende fände ...”
     
    Neidhart schloss erst den Mund, dann die Augen und kniete wieder vor dem Kaiserpaar nieder.
    Friedrich fand freundli che Worte. “Ich wünsche Euch, dass ihr Eure Herrin findet” – er drückte Elisabeths Hand und lächelte sie an – “wie ich die meine. Wenn ich bei der Suche helfen kann …”
    “Ihr Haar ist wie der lichte Maienschein, sie ist von langem Wuchs wie eine Blüte auf ihrem Stängel, rot gekleidet und von unbeschreiblicher Anmut, des Schneiderns kundig, habe ich mir sagen lassen …”
    Anna keuchte auf, und der Kaiser lachte.
    “Diese Qual kann ich gut nachvollziehen – d ort hinten sitzt sie, am Tisch in der Ecke.”
    Annas Blick kreuzte sich mit dem seiner blauen Augen - er hatte beobachtet, wo sie sich niedergelassen hatte.
    Alimah lachte. Aller Augen wandten sich Anna zu. Die Haremsdamen hatten nichts verstanden, starrten sie aber auch an.
    Anna sprang auf, raffte den langen Rock und stürzte zum Ausgang. “Entschuldigung, lasst mich durch, bitte …”
    Sie kam in der Enge nicht schnell genug voran. Da sie ohnehin schon jeder anstarrte, fasste sie sich ein Herz, sprang über ein Kissen hinweg auf die freie Fläche in der Mitte des Saales und lief hinaus, so schnell sie konnte.
    “Anna!” Das Gelächter im Saal und die Rufe des Kaisers folgten ihr.
    “Anna !” Neidharts Stimme, die Tür war fast erreicht. Das fehlte noch, dass der ihr folgte.
    “Anna, lauf doch nicht weg, Anna …”
    Wieder Friedrich. Er konnte ihr nicht folgen, selbst wenn er gewollt hätte – es war sein Hochzeitstag.
    Sie eilte weiter, so schnell sie ihre Füße trugen, nach links in das Haus, das auch ihre Kammer beherbergte, und sprang die Treppe hinauf. Schwer atmend, noch immer schwindelig von dem seltsamen Getränk, lehnte Anna die Wange an das Mauerwerk. Trotz der Sommerhitze waren die grauen Steine angenehm kühl.
    Di e beiden da so sitzen zu sehen. Selbst durch die Leichtigkeit hindurch, in die der Trank sie versetzt hatte, spürte Anna den Schmerz. Wenn Friedrich sich von ihr abgewandt hatte, konnte sie nicht als Schneiderin am Hof bleiben. Sie musste ein Wagnis eingehen. Noch in dieser Nacht würde sie herausfinden, wie der Kaiser zu ihr stand.
     
    Erst mit dem Hereinbrechen der Dunkelheit hatte Anna den Schutz ihrer Kammer verlassen. Wie lange Neidhart geklopft, sich entschuldigt und gefleht hatte, wusste sie nicht. Doch sie war überaus erleichtert, als der Dichter endlich in der Nebenkammer verschwand und eine Wand die klagenden Laute so weit dämpfte, dass sie vom Festlärm verschluckt wurden.
    Sie schlüpfte in die samtenen Schuhe – würden sie ihr Glück bringen? – und trat auf den Gang hinaus. Leise schloss sie die Tür. Wenn Neidhart auf sie aufmerksam wurde, konnte Anna ihren Plan begraben. Sie schlich die Stufen hinunter, überquerte den Hof und duckte sich an der Küche vorbei. Kein Mensch zu sehen. Der schwache Widerschein des Feuers wies ihr den Weg zur Treppe. Erster Stock, am Saal vorbei, über die Arkaden, durch die Tür und die zweite Treppe hinauf, niemand hatte sie gesehen. Nun musste sie nur noch ein Versteck finden.
    Der Lärm aus dem Saal ebbte ab. Kalt war es hier in der Ecke auf dem Boden, aber sie war vom Gang aus nicht zu sehen. Und was noch
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