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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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Befangen nahm Anna neben einem dieser seidig rauschenden, unwirklichen Wesen Platz. Wie niedrig diese Tische waren! Sie war froh, Alimah neben sich zu wissen.
    Dunkle Augen unter noch dunkleren Brauen musterten Anna neugierig über einem Tuch, das die Nase und den Rest des Gesichtes bedeckte. Die anderen beiden Frauen trugen keinen Gesichtschleier, und sie waren noch schöner, als Anna sie in Erinnerung hatte.
    Die Frau mit dem Schleier schien ihre Musterung beendet zu haben und schob die schmale Rechte über den Tisch. “Isandra”, sagte sie mit melodischer Stimme, und ihre goldenen Armreifen klirrten leise.
    Vorsichtig nahm Anna die zierliche Hand, als wäre Isandra zerbrechlich. “Anna”, stellte sie sich vor.
    Auch die beiden anderen nannten ihre Namen. Die grün gekleidete junge Frau hieß Samira, die in dem roten Schleierkleid nannte sich Kenziz und hatte fast die Hautfarbe von M´Ba. Schwerer Schmuck in Kenziz’ Haar reichte bis hinunter zwischen die Augen, auch Hals und Ohren waren üppig mit goldenem Zierrat geschmückt. Samira trug keinen Schmuck bis auf wenige dünne Reifen, aber ihre Lider waren kohlschwarz gefärbt, und die Augen glänzten wie polierte Knöpfe.
    Anna wusste nicht, wie sie sich mit den Frauen verständigen sollte, also schaute sie sich um. Alle Wände waren mit Stoffbahnen verhängt, auf dem Boden lagen überall Kissen, und allein die Kerzen, die den Raum prächtiger schmückten als eine Kirche zu Ostern, mussten ein Vermögen gekostet haben. Liebliche und würzige Gerüche mischten sich, und ehe Anna sich versah, hatte Isandra eine dampfende Schale vor sie hingestellt, in die sie braune Bröckchen fallen ließ. Der Duft von Blumen und Süße vermischte sich und verlockte Anna zum Probieren. Heiß war das Getränk und gut, süßer als Honig.
    Ein kurzer Sto ß ins Horn ertönte, und die Wachen ließen schwere Stoffbahnen vor den Fenstern herunter. Am helllichten Tag wurde es plötzlich dunkel in dem Steinhaus. Anna setzte die Schale vorsichtig auf dem Tisch ab. Was hatte das zu bedeuten? Neben ihr klatschte jemand in die Hände, ein Arm mit samtweicher Haut streifte ihre Wange, dann applaudierten alle im Saal.
    Tanzende Lichter tauchten dort auf, wo Anna den Eingang vermutete. Die Lichter drehten sich in der Luft und wirbelten umeinander . Anna hielt den Atem an. Feuerfackeln. Wenn nur eine von denen herunterfiel! Hier war alles voller Stoff, der würde brennen wie Zunder. Doch die Gesichter der beiden Schwarzen im Halbschatten, die die Feuerfackeln in die Luft warfen, waren völlig entspannt, sie verstanden ihr Handwerk offensichtlich ebenso gut wie Anna das ihre. Hinter den Feuerwerfern schritten Friedrich und Elisabeth einher, noch immer in den Gewändern, die sie, Anna, geschneidert hatte. Zufrieden mit sich und der Welt, nahm sie einen weiteren Schluck aus der Schale. Lag es an dem Getränk oder an den verwirrenden Gerüchen? Der Anblick der beiden schmerzte Anna nicht mehr allzu sehr, eine heitere Leichtigkeit hatte Besitz von ihr ergriffen.
    Vor dem Thron wichen die beiden Feuerwerfer rechts und links auseinander, und Friedrich winkte. Ein zweiter Stuhl, etwas kleiner und nicht ganz so prächtig wie der Thron, aber mit gemustertem Stoff bezogen, wurde neben Friedrichs Platz aufgestellt.
    Friedrich klatschte zweimal kurz in die Hände.
    Die Lichter erloschen , und der trockene Klang einer Trommel setzte ein. Tapp, tapp, klapp , tapp, tapp, klapp. Es gab kein Entrinnen. Alle klatschten im Rhythmus. Lieber noch hätte Anna den Takt mit den Füßen mitgestampft, aber die niedrigen Kissen ließen es nicht zu. Als ihr die Finger schon taub wurden, tauchten drei einzelne Lichter mitten im Raum auf. Ein Kopf erschien, gekrönt von einem silbernen Reif, in dem drei Kerzen steckten. Samira.
    Vom dumpfen Pochen der Trommel geleitet, schwangen ihre Arme auf und ab, als wären sie Schlangen. Nach und nach bewegten sich auch Bauch, Hüfte und Busen zum Takt der Musik. Als laufe eine Welle von unten nach oben durch Samiras Körper, schob sich einmal das Becken, dann die Brust nach vorn. Der Kopf der Tänzerin hingegen blieb stolz aufgerichtet. Andernfalls wäre ihr das heiße Wachs auf das schöne Gewand getropft, wie Anna besorgt bemerkte.
    Das Mädchen wickelte einen Stoffstreifen vo m Körper und hielt ihn mit ausgebreiteten Armen vor das Gesicht, sodass der nackte Bauch zu sehen war. Ein Kreis aus Lichtern wurde entzündet, und ein tiefes Raunen lief durch den Saal. Im Widerschein der
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