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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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Flammen funkelte ein Edelstein dort, wo der Nabel sitzen sollte. Der Takt der Trommel wurde schneller, und Samira trat dichter an einen Wächter heran, der ihr den Reif mit den Kerzen abnahm. Schneller und immer schneller dröhnte die Trommel, ein anderes Instrument fiel ein, Anna suchte den Musicus. Ein langes Holzrohr, nach unten breiter, saß an seinen Lippen und gab scharfe, quäkende Töne frei, die sich wundersam zu einer Melodie verdichteten. Anna nahm einen weiteren Schluck aus der Schale, das Getränk schmeckte gar zu gut. Ob es Alkohol enthielt? Beschwingt wiegte sich Anna in den Hüften, bis ihr Blick sich mit dem der lächelnden Kenziz kreuzte.
    Samira hielt inzwischen die Arme entweder über dem Kopf oder an der Seite, und ihre Hüften erzitterten so heftig, dass die gehämmerten Münzen an ihrem Gewand im Takt klirrten. Sie drehte sich auf den Ballen, beide Arme weit nach oben gestreckt, und warf den Kopf hintenüber, bis die langen Haare den Boden berührten. Mit schüttelnden Brüsten kam sie wieder zum Stehen, die Arme lockend und werbend vor dem Körper, sich windend, wie jemand, der in der höchsten Baumkrone nach Äpfeln greift.
    Das Klatschen wurde immer fordernder, die Männer starrten mit glasigen Augen auf die Tänzerin. Friedrich hatte sich auf dem Thron vorgebeugt und die Arme auf die breit ausgestellten Beine gestützt. Doch auch die Frauen konnten die Blicke nicht von dem fremdartigen Schauspiel abwenden. Die Trommelschläge wurden langsamer, Samiras Hüften schwangen genau auf dem Takt. Ein letzter Schlag, sie sank zusammen, Dunkelheit.
    Die Wächter zogen die Tücher von den Fenstern zurück , und Anna blinzelte in der blendenden Helligkeit. Endlich sah sie wieder klar, und wohin sie auch blickte, sie entdeckte nur erregte Gesichter. Samiras Zauber hatte jeden ergriffen. Was für ein Tanz.
    “Ich mag den Klang der Schalmei, er erinnert mich an früher”, seufzte Alimah. Die geröteten Wangen und die dunkel glänzenden Augen der Köchin legten Zeugnis ab, wie sehr die Musik und der Tanz selbst die robuste Herrscherin des Küchenreiches angerührt hatten. Alimah nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Schale, füllte sie wieder auf und trank gleich noch einmal. Sie schüttelte die Schultern zu imaginärer Musik.
    “Ich war eine gute Tänzerin. Aber das ist lang e her.”
    Bevor Anna antworten konnte, spielten der Flötist und der Trommler eine wirbelnde Melodie, die jäh abbrach, als de Vinea sich erhob.
    “Neidhart von Reuental, ein Dichter zu eurem Vergnügen!”, rief er und trat vor.
    Hatte n gerade noch die Männer große Augen bekommen, klatschten nun die Weiber wie toll.
    Anna reckte sich auf dem Kissen. Tatsächlich, die feinen Locken, das bartlose Antlitz, die Laute und die gut sitzende Kotta mit den breiten Schmuckborten - es war ihr Nachbar aus Meister Spierls ehemaliger Kammer.
    Neidhart schwieg still, bis er in der Mitte der freien Fläche stand, dort, wo zwei Lichtbahnen aus den Fenstern sich kreuzten. Er ließ sich auf ein Knie nieder, neigte den Kopf vor Friedrich und Elisabeth und begann ohne einleitende Worte.
    Anna lehnte sich in die Kissen und lauschte. Unterlegt von der Schalmei oder begleitet von seiner Laute, trug der Wortdrechsler seine Verse vor. In Neidharts Vortrag konnte sie sich verlieren. Sie sah sich wieder in der lauen Luft eines Maimonates lustwandeln, hörte Bauernburschen um ein Mädchen streiten, tauchte ein in den Streit einer Mutter mit ihrer Tochter, der sie unerklärlich wehmütig stimmte, und nippte zwischendurch immer wieder an der Schale, die Isandra aufmerksam nachfüllte. Diener trugen die Köstlichkeiten von den Tafeln inmitten des Saales auf Tellern und Schüsseln zu den kleinen Tischen. Innerhalb weniger Augenblicke war der Tisch, an dem Anna saß, mit Bratfleisch, sämiger Soße, weichem Brot und Kuchen überhäuft. Käse, Äpfel, Deckelpasteten, gesottene Eier und dicke Suppe verlockten zu höchsten Gaumenfreuden. Anna kostete von allem, bis sie das Gefühl hatte, ihr Kleid sei zu eng, und lauschte dabei Neidharts Liedern. Der stand nun auf, spähte suchend in die Runde und sprach die ersten ungereimten Sätze seit seinem Erscheinen.
    “Das letzte Lied des heutigen Tages widme ich einer unbekannten Schönen, die in ihrer Lieblichkeit der Kaiserin zwar nachsteht” – er verbeugte sich vor Friedrich, der nickte und kurz höflich applaudierte – , “mein närrisches Herz aber gefangen genommen hat. Und da ich ihren Namen nicht kenne, muss
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