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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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oder etwas Gebranntes? Ich könnte eine Stärkung gebrauchen.“
Anna hatte sich schon abgewandt und tauchte eines der makellos weißen Tücher in das frische Wasser. Wie ordentlich die Nähte gesetzt waren, jeder Stich klein und gerade. Etwas in ihr scheute sich, das Tuch mit dem Blut zu beschmutzen, als könnte sie alles ungeschehen machen, wenn der Stoff sauber bliebe. Doch dann wischte sie behutsam über die Schenkel, bis alles Blut von den Beinen verschwunden war. Vor der Scham hielt sie inne. Die Hebamme warf ihr einen prüfenden Blick zu. Rau schob die Frau sie zur Seite und nahm ihr den Lappen ab.
„Geh, das erledige ich.“ Die eine Hand der kundigen Frau rieb Liswethas Leib kräftig mit kreisenden Bewegungen, während die andere an der Scham herumwischte. Erleichtert wankte Anna zum nächsten Schemel und sank darauf nieder. Die Schustersfrau reichte ihr einen Humpen mit Bier. Eigentlich war Anna Bier zu bitter, nun aber nahm sie den Steingutbecher entgegen und leerte ihn in einem Zug.
Schuld
     
    Die Abendsonne warf ein rötliches Licht durch den groben Fenstervorhang. Anna kam der Tag wie ein Sonntag vor. Sie musste nicht zu ihrer Lehrherrin, und auch die Arbeiten auf der Baustelle ruhten. Und so nutzte sie das letzte Tageslicht, um wie versprochen Rahardtas Wäsche zu flicken, während ihr Vater zur Begehung der Brandstätte unterwegs war. Doch dann hörte sie Stimmen von draußen. Sie legte das Nähzeug aus der Hand, schob das Fenstertuch beiseite und spähte hinaus. Vor dem Haus stand ihr Vater und redete auf Arnulf ein. Rasch schlüpfte sie in ihre Lederschuhe und trat zum Ausgang. Durch die geöffnete Tür strömte blendende Helle ins Haus. Arnulfs und Wulfs Gesichter waren in blutrotes Licht getaucht; beide verstummten jäh. Anna lief ein Schauer über den Rücken.
    „Guten Abend , Arnulf. Darf ich erfahren, wie es Liswetha geht?“, erkundigte sie sich höflich.
Arnulf schwieg. Anna trat von einem Bein aufs andere. Hatte sie eine ungehörige Frage gestellt? Sie öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, da erhob Arnulf die Stimme, doch er sah ihr nicht ins Gesicht, sondern starrte an ihr vorbei, zum Dachfirst hinauf.
„Es geht Liswetha bestens. Ihre Wangen haben wieder Farbe, und sie ist ganz munter. Dem Kind geht es auch gut. Ich werde für die neue Kirche einen Leuchter spenden, und dann werden wir jeden Sonntag gemeinsam die Messe besuchen, die ganze Familie.“ Arnulf lächelte und wandte Anna den vollen Blick zu. „Besuch uns doch, wenn das Kleine da ist. Oder noch besser - komm mit uns zum Gottesdienst. Es ist wichtig, dass man hingeht, weißt du?“
Was redete er da? „Aber das Kind … ich meine, die Hebamme hat gesagt …“
Anna schluckte und schaute ihren Vater an. Der schüttelte warnend den Kopf. Arnulf hatte nichts von dem stummen Zwiegespräch mitbekommen, er summte und zupfte an seinem Hemdsärmel herum.
„Ja, Arnulf, das will ich gern tun.“ Ohne die Antwort abzuwarten, huschte Anna ins Haus und lehnte sich drinnen mit wild klopfendem Herzen gegen die Wand. Erst nachdem ihr Vater sich von Arnulf verabschiedet hatte und dessen Schritte verklungen waren, wurde sie wieder ruhiger.
Noch einmal durchglühte Sonnenrot den Raum, der Vater trat ein. Anna stieß sich von der Wand ab und sank auf den Rand der Bettstatt.
„Vater, was habt ihr herausgefunden? Wie kam es zu dem Brand? Und was wird mit der Kirche?“, fragte sie mit banger Stimme.
„So viele Fragen auf einmal! Was mit der Kirche wird? Die ist völlig zerstört.“ Wulf Wille räusperte sich.
„Es wird erst im nächsten Sommer weitergebaut - falls der Rat genug Geld zusammenbekommt. Bis dahin können wir in dem Haus wohnen bleiben, müssen aber Pacht zahlen.“
Das bereitete Anna keine Sorgen. Der Vater hatte immer gut gewirtschaftet, Not gelitten hatten sie nie. Viel eher verlangte sie zu wissen, ob das ganze Unglück vielleicht durch einen vergessenen Lappen ausgelöst worden war.
„Was ist mit dem Brand? Habt ihr etwas herausgefunden?“, forschte sie.
„Das war wirklich seltsam. Obwohl ich mich auf der Baustelle am besten von allen auskenne, hat Gil… hat der Rat darauf bestanden, allein mit den Stiftern nach der Ursache zu suchen. Sie haben mich und die Arbeiter nicht einmal auf die Baustelle gelassen.“ Er schwieg, und Annas Herz raste von Neuem.
„Schließlich teilte man uns mit, dass es Brandstiftung gewesen sei. Man fand Tücher mit Leinöl“, erklärte der Baumeister.
Anna hielt vor
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