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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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grinste, deutete eine Verbeugung an und entfernte sich gemächlich in Richtung des Wirtshauses.
„Vater, denkst …“ Weiter kam Anna nicht, denn in diesem Moment drang ein krächzender Ruf aus Arnulfs wunder Kehle. „Liswetha!“
Zusammengesunken lag die junge Frau auf dem Boden. Die Haube war verrutscht, das Haar breitete sich offen über das Gras aus.
„Was ist mit ihr?“, fragte Wulf. Er schnäuzte sich hustend in die Hand und wischte die Finger am Ärmel ab.
„Ich weiß es nicht, ihre Röcke sind ganz nass!“, stieß Arnulf hervor.
„Sie hat vorhin was von dem Wasser abgekriegt, aus dem Eimer. Bestimmt ist es nur Wasser …“, versuchte Wulf den Freund zu beruhigen.
„Warum sagt sie dann nichts? Anna, lauf und hol die Hebamme!“, rief Arnulf.
Fragend blickte Anna ihren Vater an. Der nickte nur.
„Besser, du beeilst dich“, raunte er. „Liswetha sieht nicht gut aus.“
    Einzig das Haus des Schusters stand noch dichter am Eingang der schwelenden Kirchenruine als das des Baumeisters. Anna und die Hebamme hatten Liswetha an den Beinen gefasst, Wulf und Arnulf hielten Kopf und Arme fest umklammert und gingen rückwärts. Anna keuchte und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie hatte nicht gewusst, dass ein Mensch so schwer sein konnte. Arnulf trug seinen Teil der Last nur halb, immer wieder knickten ihm die Beine weg. Wulf war als Erster am Eingang. Mit dem Fuß nach hinten auskeilend wie ein Pferd stieß er gegen die Tür, die sogleich aufgerissen wurde.
„Was ist denn hier …“ Die Frau des Schusters erblickte Liswetha und verstummte. Mit Nachdruck drängte sie die kleinen Kinder an ihrem Rockschoß zurück in die Hütte und machte so den Weg frei.
„Schnell, hier herein!“ Sie raffte ein Tuch vom Tisch und warf es über den Strohsack der Bettstatt.
Anna sammelte noch einmal alle Kräfte und wuchtete zusammen mit den anderen den schwangeren Leib auf die hohe Pritsche. Beinahe wäre ihr Liswetha im letzten Moment aus den schweißnassen Händen geglitten. Erleichtert atmete sie auf. Erst als alle sie mit offenen Mündern anstarrten, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie sah an sich hinunter - was sie für Schweiß gehalten hatte, war Blut. Ihre Hände waren rot von Liswethas Blut.
Arnulf erbleichte und stöhnte auf. Wulf Wille griff beherzt zu und konnte den Freund gerade noch auffangen, bevor dieser in sich zusammensank.
„Hinaus mit euch - das hier ist Frauensache!“ Energisch schob die Hebamme die Männer zur Tür. Der Baumeister umfasste Arnulf und führte ihn wie ein krankes Kind nach draußen.
    Noch bevor das Zuschlagen der Tür zu hören war, hatte die Hebamme schon Liswethas Röcke hochgeschoben. Die Hebamme tastete nach dem Geschlecht der Schwangeren und verzog das Gesicht.
„Herr im Himmel, wie konnte das passieren? Schonen sollte sie sich. Ruh dich aus!, habe ich ihr gesagt …“ Sie wischte sich die Hände ab, zog durch die Nase hoch und spuckte auf den Boden.
„Das Kind ist allemal verloren. Und ob es mit Liswetha wieder wird …“, murmelte sie. „Du!“, herrschte sie Anna an. „Hol mir das Licht da vorn!“
    Die Hände schon wieder zwischen den Beinen der Ohnmächtigen , zeigte die Hebamme mit dem Ellbogen auf die Schustersfrau Irmel. „Bring mir Wasser und Linnen! Und meine Tasche. Spute dich!“
Das hätte sie nicht zu sagen brauchen. Sowohl Anna als auch Irmel eilten, so schnell sie konnten, den Auftrag auszuführen. Währenddessen hantierte die Hebamme weiter zwischen Liswethas Schenkeln herum, drehte und schob und ächzte laut.
„Hast du noch einen Eimer?“
Irmel brachte das Gewünschte, und die Hebamme warf einen blutigen Klumpen in den Eimer. Ein ekliger Geruch durchzog den Raum.
„Das war schon eine Weile hinüber. Kein Wunder, dass sie Wehen hatte …“, grummelte die Hebamme.
Endlich schien sie mit ihrem grausigen Werk zufrieden zu sein und ließ von der Frau ab. Liswetha regte sich, sie stöhnte und krampfte die Arme über dem Leib zusammen. Ein Murmeln entschlüpfte ihren bläulichen Lippen, nicht mehr als ein Hauch. Anna hatte nichts verstanden, aber die Hebamme schüttelte den Kopf. Tränen sammelten sich in Liswethas Augenwinkeln.
„Arnulf?“, flüsterte sie schon so deutlich, dass auch Anna es hören konnte. Die Hebamme nickte. Sie wandte sich an Anna.
„Wasch sie, und dann hol ihren Mann herein! Aber lass vorher die Röcke wieder herunter.“
    Mit Irmel war sie jetzt freundlicher . „Irmel, bringst du mir Bier
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