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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Autoren: Denis Diderot
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antwortete der Sultan. »Selim hat Ihnen seine ganzen Abenteuer versprochen und hielt Wort, daran ist kein Zweifel. Nun hab’ ich aber eben ein Kleinod ausgefragt, das ihn einer Bosheit zeiht, die er Ihnen nicht gebeichtet und sicherlich auch nicht begangen hat, und die ihm auch gar nicht ähnlich sieht. Eine hübsche Frau zu tyrannisieren und sie unter Androhung standrechtlicher Erschießung zu brandschatzen – glauben Sie, daß Selim so etwas fertig bringt?«
    »Warum nicht, gnädigster Herr?« erwiderte die Favorite. »Selim ist jeder Tücke fähig gewesen, und verschwieg er das Abenteuer, das Sie eben entdeckten, so geschah es vielleicht, weil er sich mit dem Kleinod wieder ausgesöhnt hat, weil sie mitsammen jetzt wieder gut stehen, und weil er glaubte, mir so eine kleine Sünde vorenthalten zu dürfen, ohne deshalb gleich wortbrüchig zu werden.«
    »Die beständige Verkehrtheit Ihrer Konjekturen,« antwortete Mangogul, »hätte Sie bereits von der Krankheit heilen sollen, immer wieder welche aufzustellen. Es ist nichts mit alledem, was Sie sich einbilden. Es ist eben eine von Selims ersten Jugendtorheiten. Es handelt sich um eine jener Frauen, deren man sich auf einen Augenblick bedient, und die man nachher nicht behält.«
    »Gnädige Frau,« sprach Selim zur Favorite, »ich mag mit mir zu Rate gehen, wie ich will, ich erinnere mich an nichts mehr und habe jetzt ein ganz reines Gewissen.«
    »Olympia,« sprach Mangogul. – »Ach! jetzt fällt es mir ein, gnädigster Herr,« antwortete Selim. »Dies Geschichtchen ist so alt, daß es mir leicht entfallen konnte.«
    »Olympia,« fing Mangogul wieder an, »Gemahlin des Obereinnehmers von Hasna,« hatte sich in einen jungen Offizier vergafft, einen Hauptmann in Selims Regiment. Ein es Morgens kommt ihr Liebhaber trostlos mit der Nachricht zu ihr, daß alle Militärs Befehl erhalten hätten, abzumarschieren und zu ihren Korps zu gehen. Mein Großvater Kanoglu wollte dieses Jahr den Feldzug früh eröffnen, und einer seiner vortrefflichsten Pläne mißlang nur, weil man seine Befehle nicht geheimhielt. Die Politiker eiferten gegen diesen Plan, die Weiber verfluchten ihn. Beide hatten ihre Ursachen. Die Olympias hab’ ich Ihnen gesagt. Diese Frau faßte den Entschluß, Selim zu besuchen, um womöglich die Abreise ihres geliebten Gabalis zu hintertreiben. Selim galt schon für einen gefährlichen Menschen. Olympia glaubte, es sei schicklich, sich begleiten zu lassen, und zwei ihrer Freundinnen, hübsche Frauen wie sie, erboten sich, sie zu begleiten. Selim war in seinem Hause, als sie ankamen. Er empfing Olympia, denn sie erschien allein, mit der ungezwungenen Höflichkeit, die Ihnen an ihm bekannt ist, und erkundigte sich, was ihm die Ehre eines so schönen Besuches verschaffe. »Mein Herr,« sagte Olympia, »ich interessiere mich für Gabalis. Wichtige Angelegenheiten machen seine Anwesenheit in Banza notwendig. Ich komme, Sie um halbjährlichen Urlaub für ihn zu bitten.«
    »Halbjährlichen Urlaub, gnädige Frau?« antwortete Selim. »Bedenken Sie nur, was Sie fordern. Die Befehle des Sultans leiden keine Ausnahme. Ich möchte verzweifeln, daß ich mir bei Ihnen kein Verdienst aus einer Gnade machen kann, die mich zugrunde richten würde.« Olympia drang von neuem in ihn. Selim weigerte sich von neuem. »Der Wesir hat mir versprochen, mich bei der nächsten Beförderung zu berücksichtigen. Können Sie verlangen, gnädige Frau, daß ich mich ertränke, um Ihnen gefällig zu sein?« – »Nein, nein, Sie werden nicht ertrinken und können mir doch gefällig sein.« – »Gnädige Frau, ich vermag hier nichts, gehen Sie zum Wesir.« – »An wen weisen Sie mich? Der Mann hat nie etwas für die Damen getan.« – »So gern ich Ihnen auch dienen möchte und so glücklich ich darüber wäre: ich sehe nur einen einzigen Ausweg.« – »Welchen?« fragte Olympia lebhaft. »Ihre Absicht ist,« antwortete Selim, »Gabalis auf sechs Monate lang glücklich zu machen. Ihro Gnaden gewähren mir also vorläufig eine Viertelstunde von dem Vergnügen, das sie ihm bestimmen.« Olympia verstand ihn sehr gut, errötete, stammelte und fing endlich an, sich über die Härte des Vorschlags zu beschweren. »Reden wir nicht weiter davon, gnädige Frau,« antwortete der Oberst mit Kälte, »Gabalis reist, es ist notwendig, daß der Dienst des Fürsten geschehe. Etwas hätte ich auf mich nehmen können, aber Sie lassen gar nicht mit sich reden. Wenn Gabalis also reist, Madam, so ist
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