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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Autoren: Denis Diderot
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daß es nie ein ungleicheres Ehepaar als Kermades und Zaide gegeben hat.« »Sie liebt ja auch ihren Mann gar nicht,« sagte Mangogul. »Wen denn?« fragte Mirzoza. »Suleiman,« antwortete Mangogul. »Dann ade Porzellan und Wickelschwanzaffe!« sagte die Favorite. »Ach!« sprach Mangogul leise zu sich selbst, »diese Zaide hat mich gerührt, sie verfolgt mich, sie schwebt mir vor, ich muß sie durchaus wiedersehen!« Mirzoza unterbrach ihn durch einige Fragen, die er sehr einsilbig beantwortete. Er versagt ihr eine Partie Piquet, die sie ihm vorschlug, klagte über Kopfschmerzen, die er nicht hatte, begab sich in sein Gemach, legte sich ohne Nachtessen zu Bette, was ihm im Leben noch nicht widerfahren war, und schlief nicht. Zaidens Reize und Zärtlichkeit, Suleimans Glück quälten ihn die liebe lange Nacht.
    Man kann leicht ermessen, daß er am folgenden Morgen nichts Eiligeres zu tun hatte, als zu Zaide zurückzukehren. Er verließ seinen Palast, ohne sich nach der ‘Favorite erkundigen zu lassen; das verabsäumte er zum erstenmal. Er fand Zaide in dem Kabinett vom vergangenen Tage. Suleiman war bei ihr; er hielt seiner Geliebten Hände in den seinigen und sah sie unverwandt an. Zaide beugte sich über hin, aus ihren Blicken sprach feurige Leidenschaft. In dieser Lage blieben sie eine Zeitlang, aber endlich gaben beide der Heftigkeit ihrer Begierden nach, stürzten einander in die Arme und hielten sich fest umschlungen. Bis dahin hatte tiefe Stille rings um sie geherrscht jetzt ward sie durch Seufzer unterbrachen, durch das Geräusch ihrer Küsse, durch wenige unartikulierte Laute, die sich ihnen entrangen: »Du liebst mich?« »Ich bete dich an!« »Wirst du mich ewig lieben?« »Mein letzter Atemzug wird Zaide gehören!«
    Mangogul, von Schmerz überwältigt, warf sich auf einen Lehnstuhl und bedeckte die Augen mit der Hand. Man kann sich leicht denken, was für Dinge er zu sehen befürchtete, die aber nicht geschahen. Nach einem kurzen Schweigen sprach Zaide: »O teurer, geliebter Freund, warum hab’ ich dich nicht immer so gekannt, wie du jetzt bist. Ich hätte dich darum nicht minder geliebt und mir jeden Vorwurf erspart. Aber du weinst, guter Suleiman? Komm, teurer, geliebter Freund, laß mich deine Zähren trocknen! Suleiman, du schlägst die Augen nieder? Was fehlt dir? Sieh mich doch an! Komm, teurer Freund, komm, laß dich trösten! Drücke deine Lippen auf meinen Mund, hauch’ mir deine Seele ein, trink’ die meinige in dich, versuch’ – Ach! nein! nein!« Zaide endigte ihre Worte mit einem heftigen Seufzer und verstummte.
    Der gelehrte Afrikaner berichtet, Mangogul sei durch diesen Auftritt sehr erschüttert gewesen, habe auf Suleimans Unzulänglichkeit einige Hoffnung gebaut und Zaide heimlich Anträge machen lassen, die sie zurückwies, ohne sich dessen ihrem Geliebten gegenüber zu rühmen.
    »Aber ist denn Zaide einzig in ihrer Art? Mirzoza ist wenigstens ebenso reizend als sie, von ihrer Zärtlichkeit habe ich tausend Proben: ich will geliebt sein, ich bin es, und wer sagt mir, daß Suleiman mehr geliebt wird als ich? Ich war ein Narr, einen andern um sein Glück zu beneiden. Nein, niemand unter der Sonne ist glücklicher als Mangogul!« So fingen die Vorstellungen an, die Mangogul sich selbst machte. Ihre Fortsetzung hat der Geschichtschreiber unterdrückt; er begnügte sich, uns zu melden, daß der Sultan mehr darauf achtete, als auf die Vorstellungen seiner Minister, und daß Zaide ihm nicht wieder in den Sinn kam.
    An einem Abend, als er sehr zufrieden mit seiner Geliebten oder mit sich selbst war, schlug er vor, Selim rufen zu lassen und sich ein wenig im Gebüsch des großherrlichen Gartens zu verlieren. Hier waren bedeckte Gänge, wo man ohne Zeugen mancherlei sagen und tun konnte. Auf dem Wege dahin lenkte Mangogul das Gespräch auf den Zweck, warum man liebt. Mirzoza, zu hohen Grundsätzen gestimmt und für Ideen eingenommen, die sicherlich weder zu ihrem Range, noch zu ihrer Schönheit, noch zu ihrer Jugend paßten, behauptete: man liebe, oft um zu lieben; es gäbe Verbindungen, auf Übereinstimmung der Gemüter gegründet, durch Achtung aufrechterhalten, durch Vertrauen befestigt, die eine lange und beständige Dauer hätten, ohne daß der Liebhaber auf die höchste Gunst Anspruch mache, oder die Geliebte in Versuchung gerate, sie ihm zu gewähren.
    »Da sieht man, Madam,« sagte der Sultan, »wie die Romane Sie verdorben haben. Doch gibt es freilich bis zur Dummheit
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