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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Autoren: Denis Diderot
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Namen genannt zu haben. Selim konnte sich nicht enthalten, zu lächeln, und der Sultan mußte sogar laut auflachen über die Verlegenheit der Favorite, die so viel tugendhafte Damen kannte und sich auf keine einzige besinnen konnte.
    Ärgerlich wandte sich Mirzoza gegen Selim und sprach: »Helfen Sie mir doch, Selim, Sie haben eine ausgebreitete Bekanntschaft. Fürst,« setzte sie gegen den Sultan hinzu, »wenden Sie sich doch an … an … an, zum Beispiel … So helfen Sie mir doch, Selim.« »An Mirzoza,« sagte Selim. »Das ist sehr wenig ritterlich von Ihnen,« versetzte die Favorite. »Ich fürchte zwar die Prüfung nicht, aber ich habe eine Abneigung dagegen. Geschwind nennen Sie mir eine andere, wenn ich Ihnen verzeihen soll.«
    »Man könnte zusehen,« sagte Selim, »ob Zaide ihr Ideal, weswegen sie sonst alle Liebhaber verwarf, in Wirklichkeit gefunden hat.«
    »Zaide,« versetzte Mangogul, »ich gestehe Ihnen, gegen die Frau könnt’ ich wohl verlieren.« »Es ist vielleicht die einzige,« setzte die Favorite hinzu, »deren guten Namen die spröde Arsinoe und der Geck Jonlki verschont haben.«
    »Das ist stark,« sagte Mangogul, »aber ein Versuch mit meinem Ring ist doch ein noch besserer Beweis. Gehen wir direkt zu ihrem Kleinod. Dieser Orakelspruch ist zuverlässiger als der des Kalchas.«
    »Ei, gnädigster Herr,« sprach die Favorite lächelnd, »Sie haben ja Ihren Nathan im Kopf trotz einem Schauspieler.«
    Mangogul ging auf den Scherz der Favorite nicht weiter ein, eilte sogleich hinaus und begab sich zu Zaide. Er fand sie zurückgezogen in ein Zimmerchen vor einem kleinen Tische, auf welchem er Briefe, ein Bildnis und andere Kleinigkeiten zerstreut umherliegen sah, die von ihrem Geliebten kamen, wie man leicht an dem Aufheben erkennen konnte, das sie von den Sachen machte. Sie schrieb. Tränen rannen ihr aus den Augen und benetzten das Papier. Sie drückte das Bildnis mit Inbrunst an die Lippen, öffnete die Briefe, schrieb ein paar Worte, nahm dann wieder das Bild zur Hand, stürzte sich auf die Kleinigkeiten, deren ich erwähnte, und drückte sie an ihre Brust.
    Der Sultan war unglaublich verwundert, er hatte außer der Favorite und Zaide nie ein zärtliches Frauenzimmer gesehen. Er glaubte sich von Mirzoza geliebt; aber liebte Zaide den Suleiman nicht noch mehr? Waren diese beiden Liebespaare nicht die einzigen wahrhaft Liebenden in Congo?
    Die Tränen, die Zaide schreibend vergoß, waren keine Tränen des Grams. Liebe ließ sie fließen. Und in diesem Augenblick empfand sie nichts, als das köstliche Gefühl, Suleimans Herz mit Gewißheit zu besitzen: »Teurer Suleiman,« rief sie, »wie lieb’ ich dich! Wie wert bist du mir! Wie selig bin ich ganz von dir erfüllt! In Augenblicken, wo Zaide nicht so glücklich ist, dich zu sehen, schreibt sie dir wenigstens, wie sie so ganz dir gehöre. Ist sie entfernt von Suleiman, so beschäftigt sie sich einzig und allein mit ihrer Liebe.«
    So weit gerade war Zaide in ihren zärtlichen Betrachtungen gekommen, als Mangogul seinen Ring gegen sie drehte. Sogleich vernahm er ein Seufzen ihres Kleinods und die Wiederholung der ersten Worte des Selbstgesprächs seiner Gebieterin: »Teurer Suleiman, wie lieb’ ich dich! Wie wert bist du mir! Wie selig bin ich ganz von dir erfüllt!« Zaidens Herz und Kleinod waren zu einstimmig, um eine verschiedene Sprache zu führen. Zaide staunte anfangs; aber sie war so sicher, daß ihr Kleinod nichts sagen würde, was Suleiman nicht mit Vergnügen anhören konnte, daß sie wünschte, er möchte zugegen sein.
    Mangogul wiederholte seinen Versuch, und Zaidens Kleinod wiederholte mit sanfter schmachtender Stimme: »Suleiman, teurer Suleiman, wie lieb’ ich dich! Wie wert bist du mir!«
    »Suleiman,« rief der Sultan, »ist der glücklichste Sterbliche meines Reiches! Ich muß fort von hier, wo der Anblick eines Glückes, größer als das meinige, mir vor Augen tritt und mich betrübt.« Sogleich ging er hinaus und erschien bei der Favorite mit unruhigem, traurigem Gesichte. »Was fehlt Ihnen, Fürst?« fragte sie. »Sie sagen kein Wort von Zaide.« »Zaide,« antwortete Mangogul, »ist ein anbetungswürdiges Weib; sie liebt, wie niemand noch geliebt hat.« »Desto schlimmer für sie,« erwiderte Mirzoza. »Was reden Sie da?« versetzte der Sultan. »Ich sage,« antwortete die Favorite, »daß Kermades einer der albernsten Männer in Congo ist, daß Selbstsucht und Befehl der Eltern diese Heirat zustande gebracht haben, und
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