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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will
Autoren: Kristin Halbrook
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Ort, an den sie gehört. An den ich gehöre. Aber sie muss von mir weg.

ZOE
    EIN ARM IST um mich geschlungen. Der andere vor uns ausgestreckt, und ich blicke von ihm weg in die grenzenlose Weite der Wüste hinter uns, versuche es nicht zu sehen, tue so, als würden der Arm, die gekrümmten Finger und die Waffe, die sie halten, nicht existieren.
    Was tut er da? Was denkt er? Will er etwa erschossen werden?
    Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
    Manchmal ist es einfach nur an der Zeit. An der Zeit, um zu bezahlen, an der Zeit, um abzurechnen. Ich habe meine Kindheit damit verbracht, mich davor zu verstecken, wer meine Mutter getötet hat. Für mich gibt es keine Bestrafung, die groß genug wäre. Nicht die Fäuste meines Dads, nicht die Jahre, in denen ich unsichtbar war.
    Ich wirble herum. Breite die Arme aus. Stelle mich ihnen. Stelle mich allem. Will hält mich immer noch. Ich möchte, dass sie mich auf die schlimmste Art richten. Und ich möchte, dass er mich fallen lässt, wenn sie es tun.
    Dieses Glück war mir nie vergönnt.

WILL
    SIE WERDEN DENKEN , dass sie meine Geisel ist. So wie ich sie halte. Das Blut unter ihrer Nase, auf ihrer Lippe. Sehen sie, wie sich ihr Rücken an mich drängt, ihr Körper zittert? Oder sehen sie nur, was sie sehen wollen? Vielleicht bin ich es, der die ganze Zeit über blind gewesen ist. Ich bin losgezogen und habe in meinem Leben Menschen wehgetan. Jetzt werde ich bekommen, was ich verdiene.

ZOE
    »BLEIBT ZURÜCK!«
    Will brüllt sie an. Als könnten wir hier ewig stehen, hier in der Wüste mit diesen Gestalten in Uniformen und Anzügen und immer mehr, die folgen, während wir hier stehen. Mit dem Wüstensand, den Steinen und dem kaputten Camaro. Mit Will, der mich mit einer Hand hält und in der anderen eine Pistole hat, die auf sie gerichtet ist, und ihre Waffen, die auf uns gerichtet sind.
    Ich weiß nicht, was Will vorhat, was er denkt, was er hofft, aber ich habe keine Angst.

WILL
    » LASS DAS MÄDCHEN GEHEN !«, rufen sie, und ich habe das irre Verlangen zu lachen.
    Ich kann nicht. Ich sollte es, weil sie dann besser dran wäre, aber ich kann sie nicht loslassen. Sie kapieren’s nicht, dass sie die Einzige ist, die jemals so weit mit mir kommen wollte.

ZOE
    BITTE NICHT SCHIESSEN , Will. Leg die Waffe weg. Ich will leben.

WILL
    »WAFFE FALLEN LASSEN!«
    Ich habe noch nie mit einer Pistole geschossen. Ich weiß nicht, ob ich mit der hier schießen kann.
    Ich kann sie nicht fallen lassen. Ich kann sie nicht wegwerfen. Ich weiß nicht, was ich mit der Waffe tue, warum sie hier ist. Warum ist mein Verstand nicht so schnell wie mein Körper?
    Meine Hand zittert.
    Ich will leben.

ZOE
    WILLS KÖRPER ZITTERT . Ich drehe mein Gesicht zu ihm.

WILL
    ICH ZIEHE ZOE an meinen Mund und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen, einen härteren Kuss als je zuvor. Einen Kuss, der uns beide verbrennt. Ich präge mir ihr Gesicht ein in der einen Sekunde, die ich brauche, um diese Entscheidung zu treffen, dann stoße ich sie von mir weg. Ich schubse sie auf die Erde, in deren Richtung. Ich bin gemein und wütend, nicht wegen irgendwas, das sie getan hat, sondern weil ich es endlich kapiert habe. Es ist wegen allem, was ich nicht getan habe. Wegen allem, das mir nie jemand beigebracht hat, wie man es richtig tut.
    Was es bedeutet, ein Mann zu sein, jemanden so sehr zu lieben. Genug, um alles zu geben, was ich bin.
    Das Leben ist für sie bestimmt. Sie verdient alles Wunderbare auf der Welt. Und ohne mich wird sie es auch bekommen. Alles Gute. Es ist an der Zeit, mich zu stellen.
    Ich ergebe mich. Fang an, die Hände zu heben.
    Sie zittern.
    Die Pistole schwankt heftig.
    Da ist ein ohrenbetäubender Knall, nah an meinem Ohr. Mein Arm fliegt mit voller Wucht nach hinten, weiter, als meine Schulter das zulassen dürfte.
    Dann sind da plötzlich Echos, überall in der Wüste.
    Ich taumle.
    Zoe hebt den Kopf, so langsam, als würde sie aus Eis auftauchen.
    Dynamit geht in meiner Brust hoch. In meinem Bein. Meinem Hals.
    Kribbelt in meinen Armen, Rippen. Die Erde.
    Mein Kopf prallt vom Boden ab, bevor er ruhig liegen bleibt.
    Alles ist langsam. Meine Beine sind weg. Meine Lungen öffnen sich nicht. Käfer krabbeln durch mein Blut.
    Aber es kümmert mich nicht. Zoe ist genau hier. Sie ist neben mir zu Boden gefallen. Ich hebe die Hand an ihr Gesicht, öffne den Mund, um ihren Namen zu flüstern, aber da ist dieser widerliche Geschmack in meinem Mund, und eine zähe, warme Flüssigkeit
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