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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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habe. Ich konnte dann bis zur Besinnungslosigkeit draufhauen.«
    Detlev schlägt zurück
    Detlev wurde nicht nur zu Hause drangsaliert und gezüchtigt, sondern hatte es auch in der Schule schwer. »Die Schulzeit war für mich so schrecklich, dass ich davon bis vor zehn Jahren zeitweilig noch geträumt habe.« Vor einiger Zeit lud ihn ein ehemaliger Klassenkamerad zum 60. Geburtstag ein. Auf dem Fest redeten sie über früher, und der Gastgeber erkundigte sich bei Detlev, wie es ihm denn so gehe. »Gut«, antwortete ihm Detlev, »ja, mir geht’s gut.« Das sei prima, antwortete ihm der ehemalige Mitschüler. Das freue ihn sehr. Er habe Detlev nämlich als den Klassenkameraden in Erinnerung, der es von allen Schülern am schwersten auf der Schule gehabt habe. Weil er immer von den Lehrern gepiesackt worden sei. Das weiß Detlev noch sehr genau. »Ich habe die Lehrer natürlich auch gepiesackt, aber die Lehrer haben mich schon sehr gequält. Erst taten dies die Eltern und dann die Lehrer. Ich stand immer in Konflikt mit irgendjemand. Immer. Wurde zu Hause und in der Schule gedemütigt.«
    Als Kind und auch als Jugendlicher war er, so sagt er selbst, »schon verhaltensauffällig. Das muss man sagen. Das hat sich auch in den Zeugnissen niedergeschlagen. Ich habe mich in den ersten vier Jahren in der Volksschule fast täglich geprügelt. Meine Mutter wurde deshalb sehr oft in die Schule zitiert. Entweder hatte ich einen Zahn weggehabt oder ich habe jemand anderem einen Zahn weggeschlagen. Ich hatte in dem Alter vor nichts Angstund wurde von älteren Kindern vorweggeschickt wenn es darum ging, jemanden zu verhauen.«
    Bei all dem blieb Detlev einsam. Fühlte sich nicht zugehörig zu den anderen Kindern. »Ist ja auch logisch, wenn sie von mir immer Prügel kriegten, dass sie mich nicht mochten. Das kann man ja verstehen. Ich habe allerdings sehr darunter gelitten, als Kind unbeliebt zu sein. Dabei habe ich schon damals fast zwanghaft auf Zwang reagiert. Wenn mich einer zwingen wollte oder wenn eine Erwartung an mich gerichtet wurde, habe ich grundsätzlich das Gegenteil gemacht.«
    Eine Situation aus seiner Schulzeit ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben. Das war, als er vor einem Trümmergrundstück mal wieder heftig mit jemandem aneinander geraten war. Danach fehlten ihm büschelweise Haare, die ihm sein Gegner ausgerissen hatte. Er kam blutverschmiert nach Hause. Woraufhin ihn sein Vater drohend mit den Worten empfing: »Na, hast du dich wieder geprügelt? Ich sagte, hm. Daraufhin er: Und, haste es ihm gegeben? Ich sagte, ja, dem hab’ ich es gegeben. Da hat mein Vater sich umgedreht und gesagt: Prima. Das haste gut gemacht.«
    Es geht auch anders
    Seinen eigenen Kindern gegenüber hat Detlev ganz anders reagiert. Vor allem, weil sein jüngster Sohn sich eine Zeitlang gern herumschlug, meistens unter Alkoholeinfluss. »Dem habe ich ein paar Mal gesagt, das muss er abstellen, das passt nicht. Neulich hat er mir ganz stolz erklärt, dass er angegriffen worden sei und sich nicht gewehrt, sondern nur abgewehrt habe. Anschließend sei er einfach weitergegangen. Daraufhin habe ich gesagt, das haste gut gemacht.«
    Detlev beschreibt den Umgang mit seinem jüngsten Sohn als etwas ganz Besonderes. Sein Verhältnis zu den beiden Kindern aus der ersten Ehe dagegen ist kompliziert. »Hierzu muss ich zurück auf meine Mutter kommen. Meine Mutter war mit meinembehinderten Bruder sehr beschäftigt. Meine Mutter hatte drei Kinder. War selber sehr im Stress. Und ich glaube, sie wollte ihre Arbeit einfach bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt kriegen, und wenn das dann nicht funktionierte, wurde sie wütend. Und so ein Typ bin ich eigentlich auch. Meine Mutter war immer schon hart. Dafür war sie bekannt, knapp, hart, wie das alle in der Familie sind, ohne Schnörkel und immer sehr direkt.« Eine Direktheit, die auch Detlev ausstrahlt. Seiner Mutter hat er später nie vorgeworfen, ihn als Kind so heftig gezüchtigt zu haben. Weil er sie »irgendwie verstanden hat. Die war überlastet und überfordert.« Und trotz der Schläge, die er von ihr bekommen hat, war er »früher ein richtiges Mutterkind. Ich habe an meiner Mutter wie ein Tier gehangen.«
    »Später, als ich selbst Vater geworden war, hatte ich eines Tages mal einen wichtigen Termin. Wollte unbedingt nachts schlafen. Da lag das quäkende Baby, das man einmal, zweimal, dreimal beruhigt hatte. Und es quäkte weiter. Ich wusste, der nächste Tag ist gelaufen, bist
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