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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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57-jährigen, in München lebenden Angestellten. »Die eine Mutter, die nett zu mir war. Und die andere, die eben nicht nett zu mir war. Das habe ich mir ganz oft so vorgestellt. Und dann bin ich immer in die Küche gegangen, um zu gucken, welche von den beiden Müttern gerade da war.« Schon als knapp Dreijährige ist sie zum ersten Mal von zu Hause weggelaufen. Ein Vorfall, der bei Familientreffen als witzige Anekdote zum Besten gegeben wurde. »Wo man mich dann am Bahnhof aufgegriffen hat. Wie ich auf allen Vieren die Freitreppe hochgekrabbelt bin.«
    Rückblickend ist sie sich sicher: Ihre Mutter habe sie einfach nicht verstanden. Habe ihr ständig das Gefühl vermittelt, nicht richtig zu sein, nicht das Kind zu sein, was sie sich gewünscht hatte. Dabei hat Monika die ihr verabreichten Schläge nicht unbedingt als Ausdruck von Lieblosigkeit empfunden. »Das gehörte für meine Eltern irgendwie dazu. Die haben mich schon geliebt. Aber nicht akzeptiert, dass ich anders war.« Lauter, als Mädchen damals zu sein hatten. Wissbegieriger, als es sich für ein Kind aus einem Arbeiterhaushalt gehörte.
    Du wirst doch sowieso heiraten
    Wann immer sie lernte, sobald sie Schularbeiten machte, bekam Monika mit, wie ihr Vater entweder lautstark dagegen protestierte oder irgendwie anders seiner Missbilligung Ausdruck verlieh. Der Mann, der sein Leben lang für die Familie malocht hatte, sahnicht ein, dass ausgerechnet seine Tochter sich weiterbilden sollte, wo sie doch seiner Meinung nach sowieso heiraten und Kinder kriegen würde. Damalige Erziehungspublikationen gaben ihm Recht. So veröffentlichte 1959 Gertrud Oheim einen Ratgeber für Eltern unter dem Titel: »Die gute Ehe – ein Ratgeber für Mann und Frau«. Darin hieß es unverblümt: »Entscheidend ist, dass überhaupt erst einmal das seelische Klima geschaffen wird, in dem schon bei ganz jungen Mädchen die Freude an der Hauswirtschaft gedeiht, dass bei aller Ertüchtigung für den Beruf die Mädchen jenen krassen Materialismus etwas mehr zurückstellen lernen, der sie treibt, schnell Geld zu verdienen und zwar möglichst unter Schonung ihres Nagellacks oder ihrer duftigen Kleidchen.«
    Monika hat diese Haltung zu Hause immer zu spüren bekommen. Sie musste ihre schulische Weiterbildung ständig gegenüber dem Vater rechtfertigen und durchsetzen. Manchmal schlug er sie allein schon deshalb, weil ihm die lernbegierige Tochter nicht in den Kram passte. Auch noch, als sie schon fünfzehn Jahre alt war. »Da standen die Kinder aus der Nachbarschaft aufgereiht am Gartenzaun, weil die wussten, ich würde jetzt verprügelt werden.« Doch irgendwann wurde auch sie aufsässig, »renitent«, wie sie es nennt. »Habe aufbegehrt ohne Ende.« Mähte mit ihrer Sprachgewalt nicht nur die Eltern, sondern auch die gesamte Verwandtschaft nieder. »Ich war unglaublich«, beschreibt sie sich rückblickend nicht ohne Stolz.
    Alle hielten Monika für bekloppt
    »Ich fiel schon immer als Intellektuelle in diesem Arbeiterhaushalt auf. Das hätten die nicht so genannt. Sie meinten eher, ich sei eben bekloppt. Ich war mal wieder nicht richtig, wie immer. Nur woanders, in der Schule zum Beispiel, bekam ich dadurch ziemlich viel Anerkennung. Zu Hause hörte ich immer nur, wenn du so bist, dann kriegst Du nie jemanden, der dich liebt. Dannkriegst Du keinen Mann ab. Immer wurde gesagt, tu das doch nicht, lass das doch sein, werde ja nicht so selbstbewusst, weil du heiratest ja doch bald. Also immer so diese doppelten Sachen, die ich mit auf den Weg gekriegt habe. Ich sollte gut in der Schule sein, aber eigentlich auch wieder nicht, weil ich ja doch bald heiraten werde. Und außerdem, was soll aus mir schon werden. Ich bin ein Arbeiterkind, das geht nicht aufs Gymnasium. So. Das waren immer solch’ merkwürdige Botschaften, die ich da mitbekommen habe.«
    Ihr Vater kam aus einer Familie, die während der Nazizeit in den inneren Widerstand gegangen war. So dass er, während alle die Hitlerfähnchen schwangen, bei Aufmärschen nicht mit dabei sein durfte. Ihre Mutter war Hausfrau, kam ebenfalls aus einer Arbeiterfamilie. Ihr Großvater mütterlicherseits war Bergmann, ein intelligenter Mann, der nie die Chance hatte, etwas anderes zu tun als diesen Job. Der sich aber einen Ausgleich gesucht hatte, in Laientheatergruppen mitspielte, in Vereinen engagiert war. Dieser Großvater ging dann den »Nazis auf den Leim«, wie Monika es ausdrückt. Weil er hoffte, die würden ihn rausreißen aus seinem
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