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Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
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Das kann es tatsächlich geben – aus meteorologischen Gründen zum Beispiel, wenn sich ein Tiefdruckgebiet ankündigt. Es kann nun sein, dass Ihr Gehirn in einem solchen außergewöhnlichen Moment beginnt, Geschichten aus dem Unterbewussten zu aktivieren. Sie erinnern sich an Erzählungen von mystischen Orten. Diese Erinnerung überlagert sich mit der Realität.«
    »Glauben Sie wirklich, dass es das gibt?«, fragt sie mit Ungläubigkeit in der Stimme.
    »Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung hat gesagt, dass es in jeder Gesellschaft kollektive Vorstellungen und Erzählstrukturen gibt, die im Lauf des Lebens immer wieder aktiviert werden.«
    »Aber was bedeutet aktivieren ?«
    »Sie nehmen ein wie auch immer geartetes Geräusch wahr und bauen darum unbewusst eine Geschichte – auf der Grundlage der Geschichten, die Sie im Laufe Ihres Lebens schon erfahren haben. Sie können sich gar nicht dagegen wehren, so schnell schmiedet Ihr Gehirn aus dem vorhandenen Wissen und aus einer kleinen Begebenheit, einem Laut, einer Erscheinung, die Sie nicht gleich zuordnen können, eine stimmige Geschichte.«
    »Das heißt, wir haben uns das alles also nur – eingebildet?«
    »Von Einbildung habe ich nicht gesprochen. Sie haben eine Geschichte, einen Zusammenhang aktiviert, der zum Ort und vor allem auch zu Ihren Erwartungen gepasst hat.«
    »Und der Kompass?«
    »Tja. Der Kompass. Es kann Zufall gewesen sein, dass er sich beim Spaziergang verhakt hat. Oder aber wir haben es an der Stelle tatsächlich mit einem echten Spuk zu tun.«
    »Was würde das bedeuten?«
    »Einen Moment«, sage ich und nehme einen ersten Schluck vom Tee. »Ich gebe Ihnen ein Beispiel.«
    Ich erzähle der Frau von einem Fall bei einer italienischen Familie in einer baden-württembergischen Großstadt, zu dem ich vor einigen Jahren gerufen worden war. Es hieß, es würden Steine durch die Wohnung fliegen – Pflastersteine, aber auch kleinere Steine, die die Wohnung in einen Trümmerhaufen verwandelten. Polizisten, so hieß es zunächst, hielten die Kinder für die Steinewerfer. Sie folgten dabei, das stellte ich vor Ort fest, der Auffassung des Vaters. Bei unserer ersten Begegnung machte er einen verwirrten Eindruck auf mich. Einmal sprach er von Geistern und Dämonen, ein andermal hatte er seine vierzehnjährige Tochter im Verdacht, den Steine-Terror zu verursachen. Das Mädchen war, wie später festgestellt wurde, geistig zurückgeblieben und musste im Gegensatz zu ihren jüngeren Geschwistern viel im Haushalt helfen. Sie lebte im kleinsten Zimmer der Wohnung. Auf den ersten Blick erschien es mir unglaubwürdig, dass sie in der Lage sein sollte, die Familie und auch die Polizisten derart zu narren.
    Eine deutsch-italienische Sozialarbeiterin übersetzte vor Ort alles, was die italienische Familie aussagte, für die Polizei und brachte mich nach meiner Ankunft auf den Stand der Dinge. Ich sollte bleiben und durfte eine Woche lang die Ereignisse um die Familie herum beobachten. Vor allem der Vater war von großer Unruhe ergriffen, so sehr setzten ihm die Steine in der Wohnung zu. Verständlich. Teile des Mobiliars waren demoliert, es gab Dellen in der Wand, weil manche großen Steine offenbar mit ungeheurer Wucht, aus dem Nichts kommend, an die Wand geworfen worden waren. Eines Nachts hatte es kleine Kieselsteine von der Decke geregnet. Die Geschichten klangen grotesk, und niemand hatte eine Erklärung. Der Vater wirkte übernächtigt, aber entschlossen. Nachts sperrte er seine Familie in das Elternschlafzimmer und wachte mit einer Axt vor der Tür. Er wollte selbst sehen, ob seine Tochter – wie auch immer – Steine ins Haus brachte oder ob es einen Geist gab.
    Aber er sah nichts.
    Und trotzdem waren am folgenden Tag neue Steine in der Wohnung. Die Szenerie war eigenartig. Immer wieder sammelte die Familie die Steine ein und kippte sie auf einen Steinhaufen vor dem Haus, der sich dort schon vor Beginn der Ereignisse befunden hatte. Irgendwann kam jemand auf die Idee, alle Steine auf dem Haufen mit Farbe zu markieren, um nachzuverfolgen, ob die Steine in der Wohnung wirklich von diesem Haufen stammten. Und tatsächlich: Die Steine, die am folgenden Tag in der Wohnung lagen, waren farbig markiert. Immerhin war nun der Ursprung der Ereignisse gefunden. Aber wie kamen die Steine in die Wohnung?
    Kurz konnte ich sogar mit eigenen Augen nachverfolgen, wie Steine aus dem Nichts auftauchten. Der Vater der Familie kochte gerade in der Küche Spaghetti mit
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