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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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verschiedenen Schuldverschreibungen zu tun, die dann null und nichtig wurden, während andere Anleihen verlängert wurden, wenn der Weinberg und meine Person (die man zu Monsieur Villasse' Ärger nicht voneinander trennen konnte) in seinen Besitz übergegangen wären. Doch ich habe noch nie behauptet, ich verstünde etwas von Geld. Dieses Thema schickt sich nicht für eine Dame, und eine Dame sollte sich tunlichst nicht darum kümmern.
    Und dennoch zwingt uns Geld, auch wenn es noch so vulgär ist, daß wir uns mit ihm beschäftigen. Man stelle sich beispielsweise mein Erstaunen vor, als ich – begleitet von berittenen Bediensteten – meinem geliebten Saint-Esprit den Rücken kehren mußte und ich, als wir in Richtung unseres ländlichen Herrenhauses in La Roque-aux-Bois ritten, entdeckte, daß unser vornehmer und geräumiger Familienwohnsitz innerhalb der Stadtmauern an einen aufstrebenden italienischen Kaufmann verpachtet worden war! Das Stadthaus meines Großvaters, die Galerien, durch die meine Mutter als Kind getobt war, ausgerechnet die Räume, die mein erstes kindliches Geplapper gehört hatten, jetzt widerhallend von brabbelnden fremdländischen Stimmen, dem Klirren von Geld und dem Feilschen der Käufer! Warum nicht gleich an einen Pfandleiher oder ein Hurenhaus vermieten? Tiefer konnte man kaum sinken.
    Doch einem feinsinnigen Gemüt bieten sich selbst unter veränderten Bedingungen stets neue Gelegenheiten, auch wenn das bedeutete, jahrein, jahraus auf einem Gut zu wohnen, das sich eher für einen angenehmen Aufenthalt während der Sommermonate eignete. Ein Zyklus von Naturlyrik, dachte ich, den jeweiligen Jahreszeiten zugeordnet. Und ich könnte eine botanische Sammlung anlegen und einheimische Kräuter zeichnen. Statt meinen durch meine Abgeschiedenheit geschmälerten gesellschaftlichen Pflichten nachzutrauern, könnte ich die Fäden meines ungemein erbaulichen, wenn auch nicht vollendeten Projektes wieder aufnehmen, eines Werkes mit dem Titel Ein Dialog der Tugenden, in welchem die Überlegenheit wahrer Enthaltsamkeit, demütiger Hingabe und die Vortrefflichkeit des christlichen Glaubens in seiner Gänze von einer Dame dargelegt werden. Natürlich hatte ich nicht vor, meinen Namen auf diesem Manuskript preiszugeben, denn eine Dame aus guter Familie muß stets anonym bleiben, wenn sie zur Feder greift, wie Schwester Céleste uns zu ermahnen pflegte. Ich hatte jedoch gar nicht vor, anstößig zu handeln und es tatsächlich drucken zu lassen. Nein, der Erfolg einer privaten Lesung, der rauschende Beifall eines ausgesuchten cénacle würden mir völlig genügen…
    Und während ich meine Gedanken in diese Richtung schweifen ließ, ritt ich bereits durch das große Tor unter dem Taubenschlag auf unseren Gutshof, der von nun an unser Ganzjahresdomizil sein würde. Beim Absitzen kam mir der Gedanke, wieviel schöner doch der cour d'honneur sein könnte, wenn man die Hühner entfernen und vom Eingang bis zum hinteren Ende des staubigen Hofes Pflaster legen würde. Doch kaum trat ich durch die Haustür in die salle, da konfrontierten mich auch schon Vater und Monsieur Villasse am Tisch unter dem hinteren Fenster mit den Verlobungsdokumenten, die meiner Unterschrift harrten. Mutter, meine Schwestern und das Hausgesinde drängten sich stumm hinten in der Diele, so als wohnten sie einer Beerdigung bei.
    Villasse wirkte etwas größer, als ich ihn in Erinnerung hatte, sein Gesicht war noch faltiger, seine kalten grünen Augen noch berechnender. Ich muß gestehen, daß mich eine kurze Beklemmung überfiel: Seine Ländereien waren so abgelegen, und es fehlte ihnen bekanntermaßen an den kleinen kultivierten Annehmlichkeiten, wie sie einer Dame meines zarten und empfindsamen Naturells gebühren. Außerdem gingen Gerüchte über den Tod seiner zweiten Gattin um, die ich zuerst von Matheline, meiner Base zweiten Grades, gehört hatte, die ihren Mangel an geistigen Gaben durch eine eindeutig weltliche Vorliebe für Klatsch und Tanz wettmacht. Nein, Villasse hatte zwar den Titel Monsieur de La Tourette erworben und war daher ein annehmbarer Ehemann, aber dennoch wirkte er nicht wie ein Mann, den man möglicherweise lieben lernte.
    »Worauf wartest du noch? Unterschreibe. Da liegt die Feder«, befahl mein Vater im brüskem Ton eines capitaine der leichten Kavallerie im Ruhestand, der das Befehlen gewohnt war. Doch von uns Frauen, die wir nicht im Heer gedient haben, kann niemand verlangen, daß wir unsere zartbesaiteten
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