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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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– die Hölle auf Erden vor der Hölle in der nächsten Welt –, mehr hat er mir nicht gelassen. Aber ich warne dich: Um deiner Seelen Seligkeit willen, sieh nicht hinein.«
    »Woher weiß ich, daß Ihr mich nicht mit einem leeren Kasten narrt?«
    »Glaube mir, es wäre weitaus besser für dich, wenn er leer wäre. Aber das ist er nicht. Er enthält… die Antwort auf jeden Wunsch, den du je hattest, und, o gerechter Gott, das gräßlichste Geheimnis schlechthin – das Geheimnis des ewigen Lebens. Das ist das letzte Geschenk, das der Kasten anbietet, nachdem er dir ebendieses Leben zur Qual gemacht hat. Zur unendlichen Qual. Zumindest dieses Geschenk habe ich abgelehnt.« Dem jungen Mann fiel auf, daß der Alte auf seiner Bank einen eigenartigen Verwesungsgeruch ausströmte. Wie eklig. Als er sich von einem weiteren Hustenanfall erholt hatte, blickte er auf und sagte: »Da du mir Zeit gelassen hast, mich auf mein Lebensende vorzubereiten, zum Lohn eine Warnung! Wenn dir deine Seele lieb ist, öffne den Kasten mit dem Herrn aller Wünsche nicht.« Doch die Miene des alten Mannes zeigte bei diesen Worten eine seltsame Mischung aus Bitterkeit, Resignation und Bosheit, so als wüßte er, daß keine Macht der Welt den Jüngeren davon abhalten würde, früher oder später einen Blick in den Kasten zu werfen. Der junge Mann verzehrte sich vor Neugier, legte sein Messer beiseite und öffnete den Kasten. Es krachte und blitzte im Zimmer wie bei einem Gewitter.
    »O mein Gott, wie grausig! Das verfolgt mich bis in meine Alpträume!« Entsetzt schlug er den Deckel zu, kaum daß er ihn aufgemacht hatte.
    »O weh, wie schade. Aber ich habe dich gewarnt. Jetzt gehört er dir – du wirst ihn nicht mehr los. Bis er mit dir fertig ist, wird er immer wieder in deinem Leben auftauchen, selbst wenn du ihn im tiefsten Ozean versenkst. Wie ein Liebender wirst du immer wieder von ihm angezogen werden, bis er dir durch Erfüllung deiner Wünsche alles geraubt hat. Tod und Verderben folgen ihm allüberall. Siehst du? Schon denkst du, daß der, für den du ihn stiehlst, es nicht wert ist, ihn zu besitzen. Wer hat dich dafür bezahlt? Wer ist es, daß er solch einen Schatz verdient?«
    »Maestro Simeoni«, flüsterte der Jüngere.
    »Simeoni? Dieser drittklassige Scharlatan? Der kann doch noch nicht einmal den Vollmond voraussagen. Was für ein Witz! Simeoni will ihn haben!« Der alte Mann warf den Kopf zurück und lachte, doch das Gelächter endete in Würgen und Husten. Bei dem Gelächter blickte der junge Mann auf einmal ganz irre.
    »Maestro Simeoni hat gesagt, er würde ihm ein Vermögen einbringen. Warum sollte ich mich mit einem Anteil zufriedengeben, wenn ich alles haben kann?«
    »Ein Vermögen? Dann will ihn am Ende doch nicht Simeoni haben. Er will sich damit lieb Kind bei einem Höhergestellten machen.«
    »Warum sollte er ihn nicht haben wollen? Warum solltet Ihr ihn nicht haben wollen?«
    »Ach, junger Mann, bedenke, daß auch ich einst jung und töricht war. Und bedenke auch, daß die Göttin der Weisheit oftmals einen grausamen Preis fordert. O ja. Und grüße sie bitte von mir.«
    »Wen?« fragte der junge Mann spöttisch, während er den Kasten zum Bündel schnürte, das er sich über den Rücken warf. »Die Göttin der Weisheit?«
    »Nein«, sagte der alte Mann. »Die, die willens ist, für diesen bösen Kasten einen hohen Preis zu zahlen.«
    Doch der Jüngere war schon aus dem Fenster geklettert, hangelte sich an einem dort baumelnden Seil hinab und hörte die letzten Worte nicht mehr.
    Dort unten in der Dunkelheit wartete eine unbeleuchtete Gondel mit zugezogenen Vorhängen. »Hast du ihn?« wisperte eine Stimme hinter den Vorhängen.
    »Ja«, flüsterte der Dieb.
    »Gut, steig ein.« Fast geräuschlos glitt die Gondel in einen größeren Kanal, fast geräuschlos bohrte sich der Dolch in den Körper des Diebes, und fast geräuschlos rutschte die noch warme und mit Gewichten beschwerte Leiche ins schwarze Wasser.
    Am nächsten Tag bestieg ein Mann mit dunklem lockigem Bart und Ohrring eine Galeere in Richtung Marseille. In seinem Gepäck befand sich ein versilberter Kasten mit Elfenbein, der für die Reise in wasserdichtes Zeltleinen eingenäht worden war und die Anschrift trug: An Maestro Cosmo Ruggieri im Hause von Lorenzo Ruggieri, Zum Roten Hahn, Rue de la Tisseranderie, Paris.

Kapitel 3
    D as kommt alles nur davon, dachte ich, wenn man statt eines schmucken Damenpferdchens einen kleinen, braunen roussin reitet,
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