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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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sie mir. Wozu ist mir dieser ganze Reichtum nutze? Ich bin unfruchtbar. Tausche einen Teil deines Reichtums gegen meinen.«
    »Aber, mein Gatte – Hercule – sagt…«
    »Ich kenne meinen Bruder. Für ihn sind Mädchen nur eine Last. Du hast einen Sohn und ein schönes kleines Mädchen, und die hier mag er nicht einmal. Monsieur Tournet würde es ihm gut vergelten…«
    Daheim ein Unwetter. Eines von vielen. Ich verstecke mich unter dem Tisch.
    »Und ich sage dir, diese Genugtuung gönne ich Pauline nicht!« Das Geräusch von Schlägen und Schluchzen über meinem Versteck. Der Deckel des Kessels, der im Küchenkamin hängt, hüpft und klappert unbeaufsichtigt. Blut von einem aufgeteilten Huhn tropft vor meiner Nasenspitze von der Tischplatte. Ein Paar schwere Stiefel stehen gleich hinter meinem Rocksaum. »Und du, du kommst da heraus, du kleine Ratte. Ich sag's ja, du wirst mit jedem Tag widernatürlicher. Du wirst noch einmal irre, und dann sperrt man dich für immer ein. Ich schließe dich in eine Truhe ein, und da kommst du nie mehr heraus, wenn du nicht mit diesem Unsinn aufhörst!« Eine große Hand langt unter den Tisch, ich rutsche in den tiefsten Winkel. »Was hat meine Schwester ihr gegeben? Ich weiß, daß sie ihr hinter meinem Rücken etwas gegeben hat…« Die großen Hände haben mich geschnappt und zerren mich hervor. Meine Füße berühren den Boden nicht mehr. »Ich schüttele es aus dir heraus, so wahr ich lebe…« Mein Kopf fliegt hin und her, mein Hals fühlt sich an, als ob er gleich bricht. Das geschenkte Taschentuch mit meinem Monogramm, in das ich ein paar Bonbons gewickelt habe, fällt aus seinem Versteck in meinem Ärmel und zu Boden. Die schweren Stiefel zertrampeln und zertreten die Bonbons auf den strohbedeckten Küchenfliesen zu klebrigem Matsch.
    »Vater!« schreie ich auf, doch das scheint von weit her zu kommen, nicht aus meinem Mund.
    »Ich erlaube nicht, daß dich dieses Weib verdirbt, laß dir das gesagt sein. Lieber sehe ich dich tot!«
    »Hercule, nein, nicht die Reitpeitsche. Sie ist doch noch so klein…«
    »Du – siehst – sie – niemals – wieder – ich – verbiete – es.« Die Schläge hageln im Rhythmus seiner schrecklichen Worte herunter. Was stimmt nicht mit mir? Warum liebt mich Vater nicht?
    »Ich… ich will auch ganz artig sein…«, schluchze ich.

    Doch jetzt bin ich erwachsen, und ich bin gar nicht artig, dachte ich, während ich beim langsamen Klipp-klapp der Hufe meiner kleinen Stute über diese Erinnerungen nachgrübelte. Denn ich war unterwegs zu Tante Pauline. Und ich hatte vor, ihr alles zu erzählen.

    Es gab eine Zeit im Kloster, kurz nachdem ich mein feinsinniges, spirituelles Naturell entdeckt hatte, da wollte ich mein Leben Gott weihen. Doch leider kann man nicht ewig in Luftschlössern leben. Ein neuerlicher finanzieller Engpaß meines Vaters führte dazu, daß man meine zartbesaitete Seele gar roh aus ihrer wahren spirituellen Heimat riß und zu einer endgültigen Abmachung zwang, der zufolge ich endlich mit einem benachbarten Edelmann namens Thibauld Villasse, Monsieur de La Tourette, verbunden werden sollte. Als ich sechzehn Lenze zählte, hatte Monsieur Villasse zum ersten Mal um mich angehalten, doch damals hatte mein Vater noch ein größeres Vermögen und wies ihn wegen eines fehlenden uralten Stammbaums schnöde ab. Fürwahr, der Mann hatte überhaupt keine Wappenfelder, sondern lediglich ein großes, fragwürdiges Vermögen, das er durch Katzbuckeln bei einem königlichen Günstling, dem Maréchal St. André, und durch Kauf eines Salzmonopols erworben hatte. Seinem Titel fehlte das geheiligte Gütesiegel geadelter Tradition; mit einem Wort, er hatte seine Ländereien erst kurz nach meiner Geburt erstanden.
    Wohlgemerkt, Monsieur Villasse wäre ohnedies nie für mich in Frage gekommen, weil er fast fünfzig und ganz verschrumpelt war und weil sich in seinem schütteren braunen Haar und seinem rötlichen Bart weiße Fäden zeigten. Und er hatte so einen Ausdruck in seinen kalten grünen Augen. Das Leben einer Braut Christi, auch wenn es noch so eingeschränkt war, erschien mir in der Tat wünschenswerter als der Bund mit einem solchen Mann. Aber – eine Demoiselle muß heiraten, wie es ihr Vater wünscht. Es ging dabei, glaube ich, um einen Weinberg, den mir mein Großvater mütterlicherseits als Mitgift vermacht hatte und der im Süden an Villasse' Ländereien grenzte, zu denen kein einziger Weinberg gehörte. Es hatte auch etwas mit
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