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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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Seelen einer barschen, ungehobelten Sprache beugen.
    »Hier steht nichts über das Datum der Vermählung«, entgegnete ich.
    »Die findet auf der Stelle statt; das Aufgebot ist bereits ausgehängt«, sagte mein Vater.
    »Oh, das dürfte nicht möglich sein; da bleibt ja kaum Zeit, mir ein Schlafgemach in La Tourette einzurichten, ganz zu schweigen von all den kleinen Annehmlichkeiten, die eine Dame von Stand braucht.«
    Villasse' Augen wurden ein wenig schmal, doch er fragte ausnehmend höflich: »Und wieviel Zeit würdet Ihr dazu benötigen, Demoiselle Sibille?«
    »Oh, dafür so gut wie gar keine. Ich hoffe doch, das wird hier aufgeschrieben. Auch mir ist es sehr unlieb, den freudigen Augenblick hinauszuzögern; doch man muß auch an unser künftiges Glück denken. Darauf gilt es sich vorzubereiten.«
    »Vorbereiten? Wie lange?«
    »Also, ich muß meine Aussteuer, mein Brautkleid bestellen. Und dann die Bettvorhänge und die Bettwäsche. Und ich muß Eure Bibliothek durchsehen und mir jene Werke religiösen Trostes schicken lassen, die das weibliche Geschlecht nicht missen kann. Sechs Monate mindestens, bedenkt man die Zeit, die das Heranschaffen der Bücher erfordert.«
    »Religiöse Bücher?« fragte Villasse, und an dem Faltenwurf seines Gesichtes waren die vielfältigsten Gefühle abzulesen. Ich warf meiner Mutter einen Blick zu, doch diese verharrte steif, bleich und stumm. Ich meinte jedoch, in ihren Augen ein Funkeln zu sehen.
    »Ich habe Euch doch gesagt, daß sie gebildet ist«, meinte mein Vater.
    »Ein Fehler. Glücklicherweise ist er Euch bei Euren anderen Töchtern nicht noch einmal unterlaufen.«
    »Eine Marotte meiner Schwester. Sie schien besser fürs Kloster geeignet.« So drückte mein Vater in der Regel aus, daß er mich zu häßlich zum Heiraten fand. Und natürlich können die Jüngeren nicht heiraten, ehe die Älteste nicht unter der Haube ist. Als meine Tante Pauline, meine Patin, anbot, für meine Ausbildung zu zahlen, ergriff Vater die Gelegenheit, mich loszuwerden, mit beiden Händen. Ich spürte, wie sich mein jungfräuliches Antlitz rosig verfärbte. Nur weil der Geber aller guten Gaben der Meinung war, daß ein Übermaß an kühnem Schöpfergeist in meinem Fall einen gewissen Mangel an körperlichen Reizen wettmachte, hieß das noch lange nicht, daß man das an diesem bedeutsamen Tag in meinem Leben auch laut äußerte. Es stimmt schon, daß mich Mädchen, die auf meine Größe und knochige Statur anspielen wollten, gelegentlich ›Staubwedel‹ nannten; aber die waren schlicht neidisch auf meinen üppigen Schopf lockiger, wenn auch zuweilen widerspenstiger Haare, auf meine ausnehmend großen dunklen Augen und vor allem auf meine wunderschöne Singstimme. Außerdem war ich gewißlich hübsch genug für eine dritte Frau von Thibauld Villasse, dem es, wie ich schon sagte, nicht nur an Jugend und männlicher Schönheit, sondern auch an geistiger Bildung mangelte.
    »Aha, du weigerst dich zu unterschreiben?« sagte mein Vater jetzt etwas drohend. Ich meinte zu hören, wie meine Schwester Laurette die Luft anhielt, konnte sie jedoch nicht sehen, weil sie im Schutz des riesigen geschnitzten Schrankes stand.
    »Oh, um keinen Preis der Welt. Ich will nicht mehr, als Euch glücklich zu wissen, und sehne den freudigen Tag meiner Vermählung herbei. Aber ich weiß, daß es Monsieur Villasse danach verlangt, mich willkommen zu heißen, wie es sich für einen Mann seines Ranges geziemt, genau so wie es mich nach nichts anderem verlangt, als sein Haus und seine Person glücklich zu machen.« Mein Vater verdrehte die Augen, als wollte er sagen, was zum Teufel soll das nun wieder heißen, und ich lächelte ein zufriedenes Lächeln.
    Als Villasse dieses Lächeln sah, strahlte er mich an und säuselte: »Fürwahr, lassen wir den Advokaten einen Nachtrag erstellen mit der Bedingung, daß Ihr das Datum unserer Vereinigung jederzeit beschleunigen könnt, falls es Euch so beliebt.«
    »Ihr gebt nach? Dickköpfige Mädchen sollten die Peitsche zu spüren bekommen, sage ich. Und es gibt kein dickköpfigeres und launischeres als Sibille. Ein schlechter Anfang, Monsieur Villasse.«
    »Meine Braut verdient jeden Respekt. Demoiselle, wenn die frommen Bücher eingetroffen sind, mögt Ihr mir in Euren Mußestunden daraus vorlesen.« In Vaters Blick lag Entsetzen, während Villasse ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. Der Advokat kratzte etwas. Ich unterschrieb. »Wein zur Feier unseres Bundes«, sagte mein
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