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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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untergekommen, das könnt Ihr mir glauben.«
    Nostradamus. Das Gesprächsthema in jedem Salon und modischen cénacle seit dem Erscheinen seines Büchleins mit Prophezeiungen in Versform. Also kein Spitzel des öffentlichen Anklägers, sondern ein Weissager, der die Zukunft auslegte. Allein schon beim Klang seines Namens spürte ich, wie mich ein kalter Schauer durchrann. Das Schicksal und ich, wir waren uns soeben auf der Straße nach Orléans begegnet.
    Aber was hatte er mit seiner Bemerkung über das Königreich gemeint?

Kapitel 2
    D er Morgen dämmerte herauf, jedoch so stickig und warm, daß er keine Erleichterung mit sich brachte und einen schwülen, unerträglichen Nachmittag verhieß. Diana von Poitiers hatte ein kaltes Bad genommen, und zwei Zofen mit Tüchern standen bereit, um sie trockenzureiben. Der Palast war erwacht; in den Küchen klapperten Töpfe, in den Ställen wurden Pferde gestriegelt und gesattelt, die beiden prächtigsten für Diana und den König. In dem ein oder anderen Zimmer stand ein Zecher, der verschlafen hatte, torkelnd auf, reckte und streckte sich, pinkelte in den Kamin und rief nach etwas zu trinken. In einem Schlafgemach hielt die Königin ihr levée, und die Herzogin von Nevers reichte ihr das Hemd. In einem anderen ließ sich der König, dessen langes, oft grämliches Gesicht heute eigenartig zufrieden wirkte, von einem Kammerdiener die Nesteln zumachen, während er den Höflingen ringsum Befehle erteilte. Er dachte über einen Umzug nach Fontainebleau nach, wo die Luft frischer war, ehe man im Louvre in Paris überwinterte. Na schön, vielleicht nicht nur im Louvre. Vielleicht auch in Anet, einem Kleinod von einem Schloß, das er seiner Mätresse geschenkt hatte. Sie hatte davon gesprochen, daß sie zu Weihnachten für den gesamten Hof prächtige Lustbarkeiten plane. Ein Höfling trat mit einer Botschaft zu ihm. Ach, wie lästig – die Botschafter der Republik Venedig, und schon so früh? Die müssen noch einen Tag warten, ehe ich sie empfangen kann. Der Kronrat muß noch über die neueste Unverschämtheit des Königs von Spanien beraten. Ja, Spanien wird zu mächtig. Nein, falls die Ketzer weiter ihrer calvinistischen Lehre anhängen, müssen sie zum Wohle des Staates hingerichtet werden. Für Rechtsbruch gibt es keine Entschuldigung.

    An eben diesem Morgen gab Diana von Poitiers, le Grand Sénéchal und Herzogin von Valentinois, Hüterin der Kronjuwelen, Räuberin von Ländereien und Mittelpunkt von Günstlingswirtschaft und Korruption, eine Audienz. Mehrere Dichter hatten als Bezahlung für Werke, die ihre Schönheit und Klugheit priesen, um königliche Zuwendung gebeten; ein Bildhauer war einbestellt worden und sollte den Auftrag erhalten, ein Halbrelief zu schaffen, das Diana in idealisiertem, unbekleidetem Zustand als Göttin der Jagd in inniger Umschlingung mit einem Hirsch zeigte. In Wahrheit hatte sie nichts für die Jagd übrig, doch als Symbol gefiel ihr die ewig jungfräuliche und jugendliche Göttin Diana durchaus. Schließlich gilt nur, was die Menschen von einem denken, nicht, wie man ist, sagte sich Diana, als sich der Bildhauer entfernt hatte. Alle Welt preist meine unvergängliche Schönheit, wie könnte es der König da wagen, anders darüber zu denken? Ich habe aus einem langweiligen, verdrießlichen kleinen Jungen einen legendären Liebhaber gemacht. Welcher Mann verzichtet absichtlich auf solch einen Titel? Und falls er sich nicht sieht, wie er ist, wird er auch mich nicht sehen, wie ich bin. Ein eisiges, schmales Lächeln huschte über ihr stark geschminktes Gesicht.
    Nach den Künstlern stellten sich mehrere entfernte Verwandte ein, denen es nach Ämtern und Kirchenpfründen gelüstete; sie gingen nicht unverrichteter Dinge, obwohl keiner von ihnen auch nur ein Fünkchen Sachkenntnis besaß. Es folgte ein Buchhalter, der ihr über den Besitz berichtete, den man bei hingerichteten Ketzern beschlagnahmt hatte, denn in einem schwachen Augenblick hatte ihr der König das Recht daran geschenkt. So ausnehmend wenig? Aber Ketzerei mußte es doch wohl auch in höherstehenden Kreisen geben. Vielleicht sollte man mehr Spitzel einsetzen und weniger Nachsieht mit großen Namen üben. Schließlich würden die Lustbarkeiten in Anet teuer werden… Diana stand auf und wollte gehen, als eine ihrer getreuen Hofdamen einen katzbuckelnden Tischler hereinführte. Diana kniff erfreut die Augen zusammen, während sie ihn ausfragte.
    »Zwei Löcher? In der Decke meines
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