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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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sind, um sie hier zu erwähnen. Wie immer sieht Paris rot beim Anblick von Roben studierter Doktores, nämlich denen unserer medizinischen Fakultät in Montpellier. Kriecher. Speichellecker von der theologischen Fakultät. Können doch nichts weiter als zur Ader lassen und abführen. Und die wagen es, den großen Paracelsus schlechtzumachen! Wir im Süden würden einen Absolventen dieser elenden Pariser Fakultät niemals herumpraktizieren lassen.
    Leon soll meine Doktorrobe reinigen lassen.
    Gasthof Saint-Michel in Paris. Mein Name. Ein gutes Omen für einen Gasthof. Saubere Bettwäsche. Abendessen, fünf Sous. Das Ragout passabel, der Wein verdient den Namen Essig.
    Muß eine neue Ausgabe von Scaliger auftreiben. Und es mit Barbe Renault versuchen. Zweifellos überbewertet. Morel erzählt mir, daß Simeonis neue Weissagung vom Ende der Menschheit in einer großen Flut im Jahre 1957 zur Zeit die große Mode sei. Simeoni ist ein Esel. Könnte nicht einmal das Ende des Monats vorhersagen. Wie lange dauert es noch, bis er bei der Königin in Ungnade fällt? Habe Léon zum Louvre geschickt, damit er dem Oberhofmeister der Königin meine Ankunft meldet.
    Hier will man anscheinend einen Vorschuß auf meine Rechnung haben. Hat etwas mit fremdländischen Doktores zu tun, die bei Nacht und Nebel verschwinden. Morel angehen, ob er mir fünfzig Nobel leiht.
    Gestern auf dem Weg seltsame Zeichen. Eine Schlange mit zwei Köpfen, die sich auf einem Stein sonnte. Wahrlich, die zweiköpfigen Kreaturen belagern mich. Das zweiköpfige Kind von Aurons, das zweiköpfige Kind von Senas. Die Zeit der blutigen Kirchenspaltung naht. Später am selben Tag Begegnung mit einer jungen Dame vom Lande in Trauer. Reiste mit einem häßlichen Hund in die entgegengesetzte Richtung. Albern, aufgeblasen, starrköpfig. Aber eine sonderbare Aura. Habe die schreckliche Vorahnung, daß sie für kurze Zeit die Zukunft Frankreichs in Händen halten wird. Gräßliche Vorstellung. Schlecht geträumt. Mit Anael überprüfen.
    Das geheime Tagebuch des Nostradamus

    »Ihr«, so sagte der Fremde in der Robe eines Doktors mit viereckigem Hut, während er mich von Kopf bis Fuß musterte, »Ihr schreibt schlechte Gedichte.« Sein Blick war aufreizend, sein langer, grauer Bart von der Art, die Krümel fängt. Für eine Antwort war ich mir zu schade. Woher mochte er Kenntnis von meinen kleinen Seelenergüssen haben? fragte ich mich, doch eine Unterhaltung mit diesem ungehobelten Klotz in aller Öffentlichkeit, das war weit unter meiner Würde. »Ihr klimpert auf der Laute, schreibt banale Etüden für das Spinett und verfaßt ärgerliche Abhandlungen über die Natur«, fuhr er fort. »Eine Pfuscherin auf allen Gebieten, die der Versuchung nicht widerstehen kann, ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.«
    »Wir sind einander nicht vorgestellt worden«, entgegnete ich so schneidend wie möglich, während ich den Becher mit dem übel schmeckenden Apfelwein neben mich auf die rustikale Bank stellte. Über uns in den Bäumen, in deren Schatten die Bänke standen, zwitscherten die Vögel. Hinter uns die Schänke am Wegesrand, eine strohgedeckte Bauernkate, die kaum von einem riesigen Heuhaufen zu unterscheiden war. Nur der Besen über der Tür kennzeichnete sie als Stätte der Rast. Selbiges trug sich im Sommer des Jahres 1556 zu, dem zweiundzwanzigsten Jahr meines Lebens und somit in einer Zeit, in welcher die Frische der Jugend schwindet, um den mageren Jahren einer möglicherweise langen Jungfernschaft zu weichen. Der Bauernjunge, der den Zügel meines Pferdes führte, tränkte das Tier am Trog und war zu weit entfernt, als daß ich ihn hätte rufen können. Gargantua, mein gescheckter Jagdhundwelpe, lag zu meinen Füßen, japste vor Hitze und ließ die lange, rosige Zunge aus dem Maul hängen. Ein nutzloser Hund, der selbst zum Bellen zu faul war. Wie sollte ich nur diesen irre redenden, alten Mann loswerden?
    »Wir müssen einander nicht vorgestellt werden«, erwiderte der Fremde und musterte mich unter buschigen, weißen Brauen. »Ich kenne Euch bereits. Ich bin gekommen, um Euch zu beschwören, kehrt heim und lebt bei Eurer Familie, wie es sich für eine ehrbare Frau geziemt. Beide, Ihr und das Königreich, werden dabei besser fahren.«
    »Ich habe keineswegs die Absicht«, sagte ich. »Außerdem ist es nicht möglich. Ich muß Orléans erreichen, ehe man die Tore vor Sonnenuntergang schließt.«
    »Was Ihr getan habt, könnt Ihr nicht ungeschehen
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