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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus
Autoren: Julia Kröhn
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die Glieder, dann war ein Fiepsen zu hören, kaum lauter als das einer Maus.
    »Befreit es von den Eihäuten!«, befahl Aurel. »Ich durchschneide indes die Nabelschnur!«
    Wieder senkte Alaïs angewidert den Blick. Sie konnte nicht zuschauen, wie er dieses bläuliche Gewürm ergriff und abklemmte, auch nicht, wie er sich dann dem offenen, blutenden Leib zuwandte.
    »Schnell! Wir müssen sie wieder auf den Rücken legen!«, befahl er schroff.
    Caterina konnte ihm nicht helfen, da sie das Kind in den Händen hielt, die anderen Frauen wagten nicht, näher zu kommen, und Emeric zog die Ränder der Wunde nun nicht länger auseinander, sondern presste sie zusammen.
    »Nun mach schon!«, schrie Aurel Alai's an. Trotz ihres Ekels trat sie zu ihm, ergriff Louise an der Schulter und wälzte sie in Rückenlage. Sie lag kaum ruhig, als Aurel schon begann, die Wunde zu vernähen. Alai's sah eine Nadel zwischen seinen länglichen Fingern aufblitzen. Den Faden dahinter – bei den tieferliegenden Hautschichten wurde, so hatte der Mann gemurmelt, ein dünner aus Seide verwendet, später, beim Schließen der Bauchdecke, der aus einer Sehne gemachte – sah sie hingegen nicht.
    Indessen bereitete der Bruder des
Cyrurgicus
einen Verband aus Hanfstoff vor, den er in drei aufgeschlagenen Eiern tränkte.
    »Müssen es drei sein?«, hörte sie Ursanne raunzen, von der er diese offenbar erbeten hatte und die für ihre Sparsamkeit bekannt war. »Hätten es zwei nicht auch getan?«
    Der
Cyrurgicus
gab keine Antwort. Sein Haar fiel ihm noch tiefer ins Gesicht, als er den Verband anlegte, doch er hatte keine Hand frei, um es zurückzustreichen.
    »Hoffentlich überlebt sie«, nörgelte Ursanne in die Stille hinein, die nur vom Quäken des Kindes unterbrochen wurde. »Dann hat sich diese Verschwendung von Eiern wenigstens gelohnt.«

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II. Kapitel
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    Alaïs folgte Aurel Autard ins Freie. Nichts hielt ihn an Louises Seite, nachdem er die Behandlung beendet hatte: weder Sorge noch Mitgefühl noch sonderliches Interesse an ihrem weiteren Wohlergehen. Sein Bruder bekundete es an seiner statt. Der schmale Emeric war drinnen geblieben, legte den Verband an und erklärte den Frauen, man solle Louise, so sie denn wieder erwache, einen Sud aus Wein mit Schwarzwurz reichen.
    Alaïs hörte nicht mehr, was die Frauen darauf antworteten und ob Ursanne der Kranken nach den Eiern nun auch die Schwarzwurz neidete. So schnell war sie dem
Cyrurgicus
nach draußen gefolgt, dass sie beinahe über die Schwelle stürzte. Aurel war nicht minder hastigen Schrittes gradewegs zum Trog geeilt, der hinter dem Haus stand, und steckte, als Alaïs ihn erreichte, bis zu den Ellbogen im Wasser. Vom vielen Blut hatte es sich augenblicklich rot gefärbt.
    Alaïs, die sich eben noch nach dem kühlenden Nass gesehnt hatte – der Schweiß troff ihr fortwährend über den Rücken –, zuckte voll Ekel zurück. Dennoch blieb sie stehen und musterte den
Cyrurgicus
ehrfürchtig.
    Er bemerkte ihren Blick nicht. Noch tiefer ließ er seine Arme in den Trog sinken, tauchte schließlich selbst das Gesicht hinein und durchpflügte dann mit den Händen die schief geschnittenen Haare. Die Tropfen, die von ihm perlten, waren nicht tiefrot wie das Wasser im Trog, sondern von einem hellen Rosa. Es schien ihn nicht weiter zu stören. Er hob seine Tunika, um sich daran abzuwischen.
    Alaïs’ Blick fiel auf seinen bloßen Bauch. Deutlich stachen Rippen und Sehnen durch die Haut, die blass und unbehaart war.
    Ihre Mutter, dessen war sie sich gewiss, hätte ihr geboten, augenblicklich wegzuschauen, doch die war nicht hier. Alaïs musste daran denken, wie der Fremde sich mit Caterina angelegt und zuletzt einfach den eigenen Willen durchgesetzt hatte – ungeachtet dessen, dass verboten war, was er geplant und womit er am Ende auch Erfolg gehabt hatte. Sie lächelte, als sie sich das zunächst empörte, dann verkniffene Gesicht der Mutter vergegenwärtigte.
    Die nunmehr nasse Tunika fiel wieder über den nackten Leib. Jetzt erst schien Aurel Autard ihre Anwesenheit zu bemerken. Er musterte sie flüchtig.
    »Und wer bist du?«, fragte er beiläufig, als wüsste er nicht mehr, dass sie eben bei der von Fliegen umsurrten Gebärenden gestanden und seine Behandlung unterstützt hatte.
    Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen, von seiner Gleichgültigkeit ebenso beschämt wie verärgert. »Ich bin Azalaïs Montpoix«, erklärte sie rasch. »Man nennt mich Alaïs.«
    Sie hatte die Worte kaum
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