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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus
Autoren: Julia Kröhn
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durch diese Worte hindurchgeschimmert, weil ein dortiges Studium sein unerfüllter Lebenstraum geblieben war.
    Aurel Autard deutete auf den anderen Mann, der nun von der Tür an Louises Bett trat. »Das ist mein Bruder Emeric«, erklärte er. »Er wird mir helfen.«
    Noch gab Caterina ihren Platz nicht auf. Noch schüttelte sie den Kopf. »Wer sagt mir, dass ich Euch trauen kann?«
    Ehe der Fremde antworten konnte, trat Alaïs vor und zog die Mutter sacht am Arm. »Mutter, so sieh doch nur auf Louise … Es bleibt keine Zeit mehr …«
    Der Atem der Gebärenden war flacher geworden.
    Caterina stieß einen knurrenden Laut aus, dann trat sie schließlich zurück. Sie ging zum Kopfende des Betts und strich über Louises schweißbedeckte Stirn.
    »Aber ich werde hierbleiben«, erklärte sie trotzig. »Ich werde zusehen.«
    Aurel nickte. »Ein Stück Holz.« Es war das erste Mal, dass er sich an Alaïs wandte, und als der Blick dieser glänzenden, braunen Augen sie traf, erzitterte sie leicht. »Bring mir ein Stück Holz!«
    Rasch lief Alaïs nach draußen. Sie hörte ihre Mutter streng nach dem Zweck fragen, doch Aurel erklärte ihn ihr nicht. »Und ich brauche Wein, viel Wein!«, rief er ihr nach. »Wenn möglich eine ganze
Cupa
voll!«
    Alaïs eilte hinter das Haus, wo Holzscheite gestapelt waren. Sie nahm eines, stellte fest, dass es zu groß war, und schlug mit der Hacke ein Stück ab.
    Erst nun gewahrte sie die vielen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Die Bewohner von Saint–Marthe hatten sich um das Haus versammelt – wohl nicht von Louises Leiden und ihrem möglichen Tod angelockt, sondern von der Tatsache, dass sich bei ihnen ein Fremder aufhielt, was nur selten geschah.
    Viel zu selten, befand Alaïs.
    »Ist es wahr?«, raunte der alte Ricard ihr zu. »Ein Medicus ist hier?«
    »Ein
Cyrurgicusl«,
erklärte Alaïs stolz, weil sie mehr wusste als der Rest. »Er hat in Montpellier studiert.«
    Dann huschte sie wieder ins Haus. Die schlechte Luft traf sie wie ein Schlag. »Hier«, sagte sie und reichte Aurel Autard das Stück Holz.
    Sie hoffte, die braunen Augen würden sie erneut anblicken, würden Zustimmung und Dank ausdrücken. Doch der Fremde beachtete sie nicht, sondern nahm nur schweigend das Holz und steckte es zwischen Louises Zähne. »Ihr Mund muss geöffnet bleiben«, sagte er, »damit das Kind ausreichend Luft bekommt.«
    Erklärte er ihnen, was er tat, oder sagte er es sich lediglich selbst vor?
    Indessen hatte sein Bruder Emeric von einer hilfreichen Hand den geforderten Wein gereicht bekommen. Aus dem Lederbeutel zog er kleine Bauschen Baumwolle, tränkte sie darin und begann damit Louises aufgequollenen Bauch einzureiben. Da der Wein rot war, schien sich die Blutlache, die sich um ihren Leib gebildet hatte, noch zu vergrößern. Nachdem sein Werk vollendet war, tauchte Emeric ein scharfes Messer in den Wein.
    Alaïs’ Magen grummelte. Wie die meisten anderen Frauen vermochte sie nicht hinzusehen, als er seinem Bruder das Messer reichte und dieser es ansetzte. Nur Caterinas Blick – das erkannte sie flüchtig aus dem Augenwinkel – war starr auf Aureis Hände gerichtet.
    Jene schienen nicht zu zittern, und auch seine Stimme klang ruhig, als er sich Satz für Satz vorsagte, was zu tun war.
    »Der Schnitt«, so tönte es aus seinem Mund, »soll am unterenTeil des Schambeines beginnen und genau eine Handbreit lang sein. Sobald er durchgeführt ist, muss man mit geölten Händen in den Einschnitt greifen und die Eingeweide beiseite schieben. Der Kopf der Gebärenden sollte tief liegen. Erst nachdem die Gebärmutter geöffnet worden ist, darf man die Frau in die Seitenlage bringen.«
    Alaïs duckte den Kopf tiefer. Tat er bereits, was er da ankündigte?
    Alaïs erzitterte, doch Louises Ohnmacht war so tief, dass sie den Schrei nicht ausstieß, gegen den sich Alaïs insgeheim wappnete.
    Als sie endlich wagte, wieder hinzusehen, zog Aurel bereits einen roten Klumpen aus dem Leib, so über und über mit Blut bedeckt, dass Alaïs meinte, er würde Louise ausweiden. Erst eine Weile später ging ihr auf, dass der Klumpen das Kind war, dem er auf die Welt half – noch regungslos, noch stumm.
    Er wollte es seinem Bruder reichen, doch dessen Hände hielten die Wunde geöffnet, weshalb Caterina vortrat, den Klumpen an den Beinen packte und ihn mit dem Kopf voran nach unten hielt. Sie schüttelte den Fleischberg, der langsam menschliche Konturen annahm, und schlug sanft auf seinen Po. Ein Ruck ging durch
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