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Die gefährliche Zeugin verschwindet

Die gefährliche Zeugin verschwindet

Titel: Die gefährliche Zeugin verschwindet
Autoren: Stefan Wolf
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führt. Jetzt sucht er mich, der Mörder.
    Sie hielt den Atem an und
presste sich auf den moosigen Boden. Sie hoffte inständig, dass er nicht
ausgerechnet hier unter die Büsche sah. Nein, er tat’s nicht. Seine Schritte,
die im Gras rauschten, entfernten sich in Richtung Straße — aber nur zögernd.
    Vorsichtig kroch Gaby weiter.
Dicht vor ihr flüchtete eine kleine Smaragdechse. Das Gebüsch wurde lichter.
Jetzt kroch sie durch Farne und spürte, dass das filzige Dickicht hier endete.
Plötzlich schnupperte sie den Duft von Wildrosen und anderen Blüten.
    Und noch etwas, das aber ihrem
Näschen nicht gut tat: der Geruch von Menschen. Ausdünstung. Schweiß.
    Gaby streckte eine Hand aus und
teilte die Farne. Das gab den Blick frei auf eine kleine Lichtung — nicht
größer als der Grundriss eines Bungalows. Buchen, Fichten, sogar Lärchen
umstanden diese kleine Arena im Wald.
    Und eine Arena war’s
tatsächlich. Was Gaby dort sah, verhieß eindeutig Kampf — und ließ sie für
einen Moment an ihrer Wahrnehmung zweifeln.
    Zwei Männer standen sich gegenüber:
Ein großer, fetter, stiernackiger Kerl, dem der Schweiß übers Gesicht lief. Und
ein kleiner Endfünfziger mit markantem Faltengesicht. Wahrscheinlich trug er
ein künstliches Haarteil. Jedenfalls hatte er braune Locken bis in den Nacken.
    Beide waren in Jagdkleidung.
Beide hielten Gewehre im Anschlag und — zielten aufeinander.
    Beinahe hätte Gaby ,Aufhören!
Was soll das?!’, gerufen. Zu absonderlich war dieser Anblick. Doch sie biss
sich rechtzeitig auf die Lippen. Immerhin — für einen Moment war ihr Verfolger
zwar nicht vergessen, aber in den Hintergrund gerückt.
    Der Stiernackige grinste: ein
Grinsen so kalt wie das Herz eines Henkers.
    „Bin ich denn blöd, Norbert“,
sagte er durch die Zähne. „Wenn ich dich mit meinem Stutzen abknalle, gibt das
ein schlechtes Bild für die Bullen. Von wegen Fingerabdrücke und so. Ist doch
viel besser, wenn ich dich mit meinem Revolver umlege.“
    Er ließ sein Gewehr sinken,
griff unter die Jacke und zog einen kurzläufigen Revolver hervor.
    „Den, Norbert, habe ich vor
Jahren gekauft: auf dem schwarzen Markt. Die Waffe ist nicht registriert. Und
jetzt benutzt sie unser Psycho. Dann lasse ich den Knaller verschwinden und die
Bullen ermitteln sich blöd nach ‘nem Täter, nach ‘nem Psycho, den es gar nicht
gibt. Denn dieser Anrufer bist doch du, nicht wahr?“
    „Wa... was... was meinst du?“
Die Stimme des anderen klang panisch.
    „Warum erschießt du mich nicht,
Norbert? Eben hattest du Gelegenheit.“
    „Weil... ich hoffe, dass du nur
Witze machst, Lothar.“ He!, dachte Gaby. Norbert und Lothar? Sind das Becker
und Henrich?
    „Nein, nicht deshalb.“ Henrich
schüttelte seinen dicken Kopf, dass die Schweißtropfen flogen. „Sondern, weil
du dein Gewehr nicht gebrauchen kannst. Es würde dich in Stücke reißen. Denn
der Lauf ist blockiert, ist ausgegossen mit Kunstharz — ebenso wie meine Waffe.
Richtig toll, was du dir da ausgedacht hast. Aber für wie dämlich hältst du
mich? So ein Einbruch macht misstrauisch. Natürlich habe ich mir gleich unsere
Waffen angesehen. Und dann habe ich darauf gewartet, ob dir dasselbe einfällt.
Aber nein, du bist nicht darauf gekommen — trotz aller telefonischen Drohungen.
Wo du doch sonst immer an alles denkst. Nur jetzt bist du plötzlich naiv wie’n
Gebrauchwagenkäufer. Das hat dich verraten.“
    Gaby standen die Haare zu
Berge. Sie verstand zwar nicht alles, aber das was ihr klar war, genügte. Hier
spielte sich ein Mordkomplott ab — einer gegen den andern.
    Und dieser Becker, dachte sie,
soll anstelle von Anna verhandeln — mit den Pistoleros, soll die
Lösegeldforderung entgegennehmen. Himmel, dieser Typ hat jetzt andere Sorgen.
Und ich auch. Denn wo ist der Messertyp? Überhaupt: Wieso treibt der sich im
Wald rum? Ist Irma hier? Und was mache ich jetzt? Schießt Henrich auf mich,
wenn ich mich zeige?
    All diese Überlegungen gingen
ihr durch den Kopf. Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen.
    Denn hinten auf der
Seitenstraße — oder war’s auf dem Pfad — ertönte Tims Stimme, beträchtlich
entfernt, doch vernehmlich.
    „Gaby! Gaaaaby! Wo steckst du?“
     
    *
     
    Tim war ein Stück gelaufen.
Offenbar führte der Pfad endlos weit in das Waldstück. Der TKKG-Häuptling blieb
jetzt stehen, horchte und spürte instinktiv, dass sich vor ihm und ringsum
etwas Bedrohliches ereignete.
    Stille.
    Aber dann näherten sich
Schritte,
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