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Die gefährliche Zeugin verschwindet

Die gefährliche Zeugin verschwindet

Titel: Die gefährliche Zeugin verschwindet
Autoren: Stefan Wolf
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dachte Tim, wenn ich
äußerlich so zittern würde wie innerlich — dann könnte ich jetzt als Espenlaub
im Wind rascheln. Wahnsinn! Hätte schlimm ausgehen können für Gaby, ganz schlimm.
Er saß neben seiner Freundin, sah sie immerfort an und ließ ihre Hand nicht
los.
    Karl und Klößchen besetzten die
Stühle rechts neben Gaby — ein Halbrund vor Kommissar Glockners Schreibtisch.
Im Moment herrschte gespannte Stille im Büro.
    Umso deutlicher vernahm Tim den
Straßenverkehr durch die geschlossenen Fenster. Der tägliche Wahnsinn spielte
sich zwar drei Stockwerke tiefer ab — rund ums Polizeipräsidium. Aber die Nähe
der Ordnungshüter schreckte keinen Autofahrer. Da wurde gehupt, riskant
überholt, die Vorfahrt geschnitten, mit Gas bei gelber Ampel die Kreuzung
passiert und voll gebremst, dass die Reifen jaulten. Das hässlichste aller
Konzerte, dachte Tim, genauso dämlich wie die Formel-1-Raserei.
    Minutenlang hatte Kommissar
Glockner seine Tochter in den Armen gehalten, wortlos, dabei heftig geschluckt.
Das war am Tatort gewesen, am Seiteneingang des Schnäppchen-Supermarkts. Tim,
Karl und Klößchen waren kurz nach der Polizei eingetroffen. Über Handy hatte
Gaby natürlich auch ihre Freunde verständigt.
    Victor Kalensky war immer noch
bewusstlos. Offenbar hatte er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen.
    Da kann man mal sehen, dachte
Tim, was so ein Kinnhaken bewirkt — und sei’s auch nur, dass der Fußboden
zuschlägt. Schläge an die Rübe fördern eben doch nicht das Denkvermögen — sonst
würden die Berufsboxer nicht so viel Schrott stottern, wenn man ihnen ein
Mikrophon vor die Nase hält.
    Gabys Vater, hinter dem
Schreibtisch, horchte in den Telefonhörer, erwiderte einsilbig, legte
schließlich auf.
    „Leider Fehlanzeige“, erklärte
er. „Der Messertyp ist nicht in unserer Vorstrafenkartei. Auch beim
Landeskriminalamt kann man mit deiner Beschreibung nichts anfangen, Gaby.
Niemand kennt ihn.“
    „Etwa einsachtzig groß“, sagte
Gaby, „schlank, kräftig, 30 Jahre, dunkles Haar — kurz geschnitten,
länglich-kantiges Gesicht. Und die Phantom-Zeichnung, die Herr Gostpänter
angefertigt hat, ist ihm wirklich ähnlich.“
    Glockner hob die Schultern.
„Entweder der Kerl ist zum ersten Mal ausgerastet. Oder er war bisher schlauer
als wir.“ Er zog seine Notizen heran. „Über das Opfer wissen wir dagegen schon
einiges, obwohl Victor Kalensky — so heißt er — noch nicht vernehmungsfähig
ist. 37 Jahre, Single, technischer Angestellter bei den Sirius-Werken. Dass er
dort arbeitet, geht aus seinen Papieren hervor. Meine Kollegin Irma Heinze hat
sich eben dort umgehört. Sirius stellt elektronische Geräte her, die vor allem
im militärischen Bereich genutzt werden — gewissermaßen ein Ausrüster der
Bundeswehr und der Nato. Damit ist die Firma natürlich ein Ziel für Spione von
— sonst woher. Der Kollegin Heinze wurde gesagt, es gäbe Hinweise, dass geheime
Technologien von Werksangehörigen verraten würden. Und Kalensky habe es sich
zur Aufgabe gemacht, als selbst ernannter Fahnder zu ermitteln. Ist zwar nicht
sein Job, aber es wurde ihm auch nicht untersagt. Eher hat man ihn belächelt.
Jetzt mutmaßen die Herren aus der Führungsetage, Kalensky sei jemandem auf die
Spur gekommen. Doch statt seinen Verdacht höheren Ortes mitzuteilen, hat er
offenbar versucht, den Übeltäter zu erpressen. Kalensky soll hoch verschuldet
sein. Er spielt. Sucht Casinos auf, spielt Roulette und Black Jack und
verliert.“
    „Hat Irma Heinze bei Sirius das
Phantom-Bild vorgezeigt?“, fragte Tim.
    Der Kommissar lächelte. „Hat
sie, Tim. In der Personalabteilung. Immerhin werden bei Sirius 600 Leute
beschäftigt. Aber unter den 243 Männern ist der Gesuchte leider nicht.“
    „Endlich mal eine Firma“,
meinte Gaby, „wo die Frauen in der Mehrheit sind. Und das in einem
kriegswichtigen... hoppla! will sagen: verteidigungswichtigen Unternehmen.
Sonst sind weibliche Mehrheiten nur in Frauenvereinen.“
    „Und in Mädchenschulen“,
ergänzte Klößchen, wobei ihm fast ein Stück Schoko aus dem Mund fiel.

    „Weltweit gesehen“, wusste
Karl, „sind sie auch in der Mehrheit. Es gibt etwas mehr Frauen als Männer.“
    „Dann kann die Welt nicht
untergehen“, lachte Gaby. „Die Natur handelt klug.“
    Schon wieder gut drauf, dachte
Tim. Der Schock scheint überwunden. Aber Pfote hat noch eiskalte Hände.
Jedenfalls ist die Linke ziemlich kalt. — Wärmend umschloss er sie mit
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