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Die Gamnma Option

Titel: Die Gamnma Option
Autoren: Jon Land
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und stellte fest, daß Dejourner seinem Blick auswich. »Augenblick mal, Henri. Plötzlich habe ich das Gefühl, daß du tiefer in der Sache steckst, als du es mir weismachen wolltest.«
    Dejourner seufzte tief und errötete leicht. »Deshalb fiel es mir ja so schwer, zu dir zu kommen, Blaine. Lauren war … meine Nichte.«
    »Dann hast du …«
    Dejourner erhob sich und trat zu ihm. Er mußte aufschauen, damit sich ihre Blicke trafen. »Du hast jemanden gebraucht. Sie auch. Ja, ich habe es arrangiert. Und was es damals bei dir bewirkt hat, bewies, daß ich recht hatte. Du warst wie ein Sohn für mich, und ich erkannte, was dieser schreckliche Krieg dir angetan hat. Er hat dir deine Jugend gestohlen und dich auf einen Weg geschickt, der es dir unmöglich machte, mit jemandem zu teilen oder ehrliche Leidenschaft zu empfinden, Liebe, wenn du so willst. Ich kannte diesen Weg, weil ich ihn selbst einmal zurückgelegt hatte.« Der Gesichtsausdruck des Franzosen wurde ernst. »Ich war fast fünfzig Jahre alt, lebte ganz allein und hatte nur die Liebe zu meinem Land gekannt, das, wie du mir oft genug gesagt hast, ein kalter und gleichgültiger Partner sein kann. Du mußtest die andere Seite kennenlernen. Ich mußte sie dir zeigen.«
    »Wann hast du von dem Kind erfahren?«
    Dejourner wandte den Blick ab. »Ich habe nicht gewußt, daß es dein Kind war.«
    »Aber du hast es vermutet.«
    »Aber nicht gewußt! Wahrscheinlich«, fügte er wesentlich leiser hinzu, »wollte ich es gar nicht wissen. Ich habe die Wahrheit erst erfahren, als man mir einen Testamentszusatz schickte, in dem die ganze Geschichte stand. Lauren ist ohne Eltern aufgewachsen. Sie wollte nicht, daß es ihrem Sohn ebenso ergeht.«
    »Dann hat sie von mir erwartet, daß ich …«
    »Sie hat von dir erwartet, daß du so handelst, wie dein Herz es dir vorschreibt. Sie hat gewußt, was für ein Mensch du bist, daß du tun wirst, was richtig und fair ist. Ich bin mir nicht sicher, ob … nein, ich bin mir sicher, sie wollte nicht, daß du zu dem Jungen Kontakt aufnimmst. Sie wollte sich lediglich vergewissern, daß jemand, dem sie vertraut, in Zukunft auf ihn aufpaßt.« Henri sah durch ihn hindurch. »Du mußt tun, was für den Jungen richtig und fair ist, aber dasselbe muß auch für dich gelten.«
    »Unter den gegebenen Umständen eine nicht ganz einfache Kombination.«
    »Dein Herz wird dich führen, mon ami.«
    »Du erwartest doch nicht, daß ich jetzt in das Leben des Jungen trete, oder?«
    »Ich erwarte, daß du das Richtige tust. Du wirst schon die richtige Wahl treffen. Ich habe meinen Teil erfüllt. Ich bin meinem Gewissen treu geblieben und habe gleichzeitig Laurens letzten Willen befolgt.«
    »Und damit setzt du den Jungen vielleicht genau den Gefahren aus, die Lauren vermeiden wollte, als sie – und du – mir seine Existenz verschwiegen haben.«
    Dejourner nickte. »Jetzt weißt du, in welcher Zwickmühle ich mich in den letzten Monaten befunden habe. Glaube mir, ich habe mich des Nachts oft schlaflos hin und her gewälzt. Ich habe an dich gedacht, ich habe an Lauren gedacht, aber letztendlich habe ich an das Kind gedacht, und das gab den Ausschlag.« Der Franzose streckte die Hand aus und ergriff sanft Blaines Unterarm. »Er hat ein Recht darauf, dich kennenzulernen, mon ami, vielleicht nicht als Vater, aber zumindest als Mann.« Dejourner zog die Hand wieder zurück. »Ich überlasse die Entscheidung dir.«
    »Wie alt bist du, Johnny?« fragte McCracken den großen Indianer. Sie saßen einander in der Blockhütte gegenüber, die Wareagle in den Wäldern bei Stickney Corner im Bundesstaat Maine gebaut hatte. Die Stadt lag drei Stunden von Portland entfernt, und Blaine war umgehend dorthin gefahren, nachdem Dejourner sich verabschiedet hatte.
    »Blainey?« erwiderte Wareagle und drehte den Kopf. Blaine konnte sein gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht sehen, das sich seit fast zwanzig Jahren, die sie sich kannten, nicht verändert hatte. Sie hatten zusammen in derselben Division in Vietnam gedient, Johnny als Lieutenant, Blaine als Captain. Wenn McCrackens Unternehmungen legendär waren, ließen sich die von Wareagle nur noch als der Stoff bezeichnen, aus dem Mythen geschmiedet werden. Er konnte in ein Minenfeld vorpreschen oder durch ein Feuergefecht stürmen, ohne Furcht zu empfinden, denn der Tod, so behauptete er, sah einen an, bevor er einen holte. Und die beste Chance, ihm zu entgehen, bestand darin, den durchdringenden Blick einfach zu
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