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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen
Autoren: Paul Harding
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anders. Der bekam ein Gift, das schwieriger
festzustellen ist. Nach dem Mittagsmahl ging Allingham in seine
Kammer und schlief ein. Was er nicht wußte, war, daß
die Klinke seiner Tür mit Gift beschmiert worden war. Den
gleichen Streich hattet Ihr schon Sir Thomas gespielt, aber Ihr
wart sicher, daß es wieder klappen
würde.«
    Cranston hielt inne,
um sich seinen Becher zu füllen; dabei zitterten seine
Hände so sehr, daß der Wein auf den Tisch schwappte.
Aber den Coroner, der voller Schwung war und überdies seine
Erfrischung vor sich sah, kümmerte das einen
Kehricht.
    »Bruder
Athelstan«, verkündete er, »wird meine
Schlußfolgerungen zusammenfassen.«
    Athelstan
unterdrückte ein Lächeln. Cranston war erheiternd, aber
der Priester mit dem harten Gesicht, dieser Wolf im Schafspelz, war
es nicht.
    »Seht Ihr,
zunächst einmal hatte Allingham eine nervöse
Angewohnheit. Dauernd hob er die Hände zum Mund; sie
flatterten auf und ab wie Schmetterlinge. Erinnert Ihr Euch an die
Geste? Während er sein letztes Nickerchen machte, schloß
Pater Grispin ihn wahrscheinlich in seine Kammer ein. Allingham
wacht auf und stellt fest, daß kein Schlüssel da ist.
Nervös und erregt rüttelt er an der Türklinke, und
immer wieder flattern seine todbringenden Finger zum Mund. Ihm wird
schlecht, er geht zum Bett, bricht zusammen und stirbt. Die
Tür wird aufgebrochen, der Priester sorgt dafür,
daß er dabei ist, und wirft den Schlüssel auf den Boden.
Natürlich glaubt jeder, er wäre heruntergefallen, als die
Tür aufgebrochen wurde. Crispin tut selbstverständlich
verblüfft und unschuldig. Er stellt die Frage: Wenn Allingham
einen Anfall hatte, warum versuchte er dann nicht, die Tür zu
öffnen? Und seltsam - während er das Schloß
ausprobiert, hält unser Mörder ein Mundtuch in der Hand,
das er zuvor benutzt hat, um vergossenen Wein aufzuwischen. So
untersucht er die Türklinke und benutzt das Mundtuch, um sie
besser greifen zu können. Natürlich wischte er bei all
dem in Wirklichkeit nur das Gift ab.« Athelstan wühlte
in seiner Kutte und förderte schließlich das schmutzige
Mundtuch zutage, das er sich von der Wäschemagd hatte geben
lassen. »Hier ist das Tuch.«
    »Das kann es
nicht sein!« rief Fortescue plötzlich.
    »Halt’s
Maul!« schrie der Priester und starrte ihn
haßerfüllt an. »Halt’s Maul, du
Idiot!«
    »Warum kann es
das nicht sein?« erkundigte Cranston sich mit sanfter Stimme.
»Ist es nicht merkwürdig, daß Ihr Euch erinnern
könnt, was aus einem unschuldigen Mundtuch geworden
ist?«
    Athelstan hielt den
Atem an. Würde jetzt das Geständnis kommen?
    »Ich habe nur
getan, was er verlangt hat«, flüsterte
Crispin.
    »Wer?«
fragte Cranston leise.
    »Fortescue,
natürlich!«
    Der Oberrichter hob
den Kopf, und sein Gesicht war fahl vor Entsetzen.
    »Ich habe den
Priester nur gebeten, die Geheimnisse zu finden, die Sir Thomas
hütete. Mord habe ich nicht geplant.«
    »Ihr vielleicht
nicht«, entgegnete Athelstan. »Aber Euer Komplize,
Pater Crispin, sehr wohl. Auf Euren Befehl, Oberrichter Fortescue,
versuchte er, Sir Thomas Springalls Geheimnisse auszuspionieren.
Sir Thomas, ein umsichtiger Mann, bemerkte, daß seine
privaten Kontobücher untersucht worden waren, und die Schuld
daran wurde Brampton in die Schuhe geschoben. Es kann sein,
daß Sir Thomas und Brampton sich einigten und Fragen gestellt
wurden; deshalb plante Pater Crispin Springalls Tod. Nach seinem
angeblichen Selbstmord würde man Brampton für den
Übeltäter halten, und für Euch wäre der Weg
frei, weiter nach Sir Thomas’ Geheimnis zu
suchen.«
    John von Gaunt stand
plötzlich auf. »Coroner, waltet Eures Amtes!«
befahl er.
    Cranston watschelte um
den Tisch. »Pater Crispin, ich verhafte Euch im Namen des
Königs wegen der furchtbaren Verbrechen des Hochverrats, des
Mordes und des Aufruhrs.«
    Der Priester starrte
mit steinerner Miene vor sich hin, während ein kräftiger
Wachsoldat, den Gaunt hereingerufen hatte, ihm die Daumen auf dem
Rücken zusammenband. »Halt!«
    Athelstan ging
hinüber zu Fortescue. Er bemerkte, daß Buckingham vor
Angst zitterte; sein Gesicht war schweißüberströmt.
Der weiche junge Secretarius würde diesen Tag nie
vergessen.
    »Oberrichter
Fortescue«, sagte Athelstan leise, »Ihr seid des
Königs höchster Justizbeamter. Warum habt Ihr so etwas
getan? War es die Gier nach Macht und Reichtum, oder war es das
Verlangen, den Regenten in die Hand zu bekommen? Ihr wußtet
jedenfalls, daß
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