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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen
Autoren: Paul Harding
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Reichsapfel, das Zepter und die Krone Edwards des Bekenners.
Sie zu verpfänden, stand Euch nicht zu. Wenn Euer Bruder davon
gewußt, wenn Euer Vater, der alte König, es auch nur
geahnt hätte, dann hätte dieser Vertrag Euch leicht den
Kopf kosten können. Würde das Unterhaus es jetzt
erfahren, würde man vermuten, Ihr hättet Euch gegen den
König verschworen. Wenn Eure edlen Brüder und die anderen
großen Lords, Gloucester und Arundel, auch nur einen Blick
auf das Dokument hätten werfen können, würden sie
Euch in Stücke reißen.«
    »Ich war
besorgt«, antwortete Gaunt stockend. »Mein Bruder lag
im Sterben, mein Vater war senil, der kleine Richard
kränkelte. Dieses Reich braucht eine starke Regierung. Jawohl:
Wenn es nötig gewesen wäre, hätte ich die Krone an
mich gerissen.«
    »Und jetzt,
Mylord?« fragte Cranston.
    »Ich bin der
treueste Diener, den der König hat«, erwiderte Gaunt
geschmeidig. »Und ich stehe in Eurer Schuld, Sir John. Das
werde ich nicht vergessen.«
    »Dann
wünschen wir Euch nun eine gute Nacht, Mylord.« Cranston
und Athelstan standen auf und gingen zur Tür.
    »Sir
John«, rief Gaunt ihnen nach, »wir sprechen später
noch einmal über die Sache. Bruder Athelstan, Ihr mögt
einstweilen von mir erbitten, was Ihr wollt.«
    »Gut, Mylord.
Ich möchte ein wenig Silber für meine Kirche und zum
zweiten eine Rente für eine arme Frau, die Witwe des
Totengräbers Hob.«
    Gaunt grinste.
»So wenig für so viel! Geht zu meinen Schreibern. Es
soll geschehen.«
    Athelstan und Cranston
wanderten durch die jetzt menschenleeren Korridore des Savoy und
durch den von schwerem Duft erfüllten Garten hinunter zum
Fluß.
    Athelstan rieb sich
müde die Augen. »Der Mörder hat einen Fehler
begangen, und wir auch, Sir John. Ich vermute, Pater Crispin
wartete, bis die Flut sank, ehe er den unglückseligen Leichnam
aufhängte.«
    »Aber uns hat er
gesagt, er habe Besorgungen erledigt.«
    »Und da haben
wir unseren Fehler gemacht. Wir haben nicht gefragt, wann er
zurückgekommen ist - nicht, daß es im Hause Springall
darauf angekommen wäre, wo Sir Richard und Lady Isabella mit
sich selbst beschäftigt waren und Allingham sein eigenes
einsames Dasein fristete. Ich bin sicher, daß der Priester
Wege hatte, unbemerkt in dem großen Haus ein und aus zu
gehen.«
    »Glaubst du,
daß Crispin hängen wird?« fragte Cranston.
Athelstan schüttelte den Kopf. »Fortescue hat ihn
beauftragt, herauszufmden, was Sir Thomas verbarg, doch dann lief
ihm, wie wir wissen, die Sache aus dem Ruder. Fortescue wird ins
Ausland gehen und eine Anstellung an irgendeinem fremden Hof
finden. Pater Crispin wird, da er Priester ist, wahrscheinlich
für den Rest seines Lebens in irgendein Kloster eingemauert
werden und das bittere Brot der Buße essen
müssen.« Er bekreuzigte sich. »Gaunt würde es
niemals wagen, einen der beiden vor Gericht zu bringen. Aber ich
habe den Verdacht, daß Fortescue und unser böser
Priester innerhalb eines Jahres eine Art >Unfall< erleiden
werden und sich vor Gottes Gericht für ihre Übeltaten
verantworten müssen.« Plötzlich fiel ihm Benedicta
ein. »Sir John!« rief er. »Eure Gattin, Lady
Maude? Und Benedicta?« Cranston drehte sich um und warf ihm
einen verschmitzten Blick zu. »Ich habe den
Hauptmann gebeten, Lady Maude zwei seiner Männer als Eskorte
für den Heimweg mitzugeben. Benedicta war eingeladen, sie zu
begleiten, aber ob sie es getan hat oder nicht...« Er brach
ab.
    Athelstan starrte zum
Himmel, der jetzt im Licht der untergehenden Sonne blutrot
leuchtete. Der Abendwind kühlte sein Gesicht, und er hatte
kaum noch einen Gedanken für Mörder, die in Blut und
Ehrgeiz versanken. Wie rot war seine eigene Seele? Hatte er nicht
auch insgeheim gesündigt? »Was fangen wir jetzt an,
Bruder?« fragte Cranston. Athelstan sah ihn an - das runde,
freundliche Gesicht, das gutmütige Lächeln, das
Mitgefühl in den weintrüben Augen.
    »Ihr seid ein
guter Mann, Sir John.«
    Der Coroner wandte
sich ab.
    »Und ich werde
Euch sagen, was wir jetzt machen«, fuhr Athelstan fort und
nahm ihn beim Ellbogen. »Wir werden feiern!«
    Er führte Sir
John am Ufer entlang zur nächstbesten Taverne, wo er ihnen die
besten Plätze am Fenster sicherte. Athelstan hob die Hand und
winkte den Wirt herüber.
    »Ich will einen
Krug von deinem besten Bordeaux und zwei große Becher. Mein
Freund und ich, wir werden uns betrinken.«
    Sir John klatschte in
die Hände wie ein Kind und krähte vor Vergnügen.
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