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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie
Autoren: Kathleen Duey
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zu,
um ihn anzusehen, die Wangen voller Grübchen. Micah musste lachen, und sie
strahlte.
    Als Micah bei der dritten Ziege angekommen
war, ließ Sadima Körner durch den Rost der Futterkrippe rieseln, ein Korn nach
dem anderen, und kicherte, wenn sie auf dem Stallboden darunter aufsprangen. Micah
goss den Teil der Milch, der für Mrs. Hod gedacht war, in eine kühlende
Blechkanne, die mit einem Tuch zugedeckt war; dann griff er nach dem Eimer mit
Dunnys Milch, um ihn ins Haus zu tragen. Sadima war in ihr Spiel vertieft und
lachte über den anwachsenden Kornhügel auf dem Stallboden.
    Langsam ging Micah an ihr vorbei. Als sie
gerade nicht aufsah, rannte er durch die Scheunentür und den Weg hinauf zum
Haus. Er würde nur schnell die Milch in die Kühlkrüge auf der Anrichte umfüllen
und dann zurück zur Scheune eilen. Sadima konnte nicht aus der Raufe heraus,
und sie würde keine Zeit haben, unruhig zu werden und zu weinen.
    Micah lief schnell, den Eimer in einer
Hand. Er war vorsichtig, um keine Milch zu verschütten, und wurde langsamer,
als er an den Stufen zur Veranda ankam. In der Küche stellte er die Krüge ins
Spülbecken, das mit kaltem Wasser aus dem Bach gefüllt war, dann goss er,
geschickt durch lange Übung, die Milch um. Rasch griff er nach einem Stückchen
Brot, auf dem Sadima würde herumkauen können, während er die letzten Arbeiten
im Stall verrichtete, dann hastete er wieder aus dem Haus und rannte den Hügel
hinunter.
    Als er durch die Tür zur Scheune trat, sah
er, dass seine Schwester sich nicht bewegt hatte. Sie saß noch immer im Trog,
und er konnte ihre fröhliche Stimme hören. Micah stieß erleichtert die Luft aus
und lächelte sie an, während er auf sie zuging. Er würde mit Papa sprechen und
ihn überzeugen, dass sie …
    Micah erstarrte. Auf Sadimas Schulter saß
eine Ratte. Seine Schwester brabbelte vor sich hin, während sie sich vorbeugte,
und die Ratte berührte beinahe ihren Mund. Wahrscheinlich konnte sie das Korn
in ihrem Atem riechen, dachte Micah. Unsicher blieb er stehen. Vielleicht würde
das Tier davonrennen, wenn er es erschreckte, aber er würde durch die Stalltür
gehen und durch die Latten greifen müssen, um es zu verscheuchen. Was wäre,
wenn Sadima plötzlich aufstehen würde und die Ratte es mit der Angst zu tun bekäme?
Rattenbisse entzündeten sich oft und hinterließen Narben. Das Tier könnte auch
Sadimas Augen verletzen. Entsetzt beobachtete Micah, wie die Ratte auf ihren
Hinterbeinen stand und ihre Pfoten auf Sadimas Ohr abstützte. Bei dieser
leichten Berührung brach das Mädchen in Gelächter aus. Wenn sie versuchen
würde, die Ratte wegzuschieben, wenn sie sie packen und dabei vielleicht
quetschen würde …
    Mit drei raschen Schritten war Micah durch
die Stalltür und bei der Raufe – nur um erneut stocksteif stehen zu bleiben.
Die Ratte rieb ihre Wange an der ihrer Schwester. Diese hob eine Hand und
berührte das Fell des Tieres, welches sich daraufhin wieder auf alle viere
sinken ließ und versuchte, den Kopf unter die streichelnden Finger zu schieben.
Dann schaute es an Sadima vorbei zu ihm.
    Micah starrte die Ratte an. Sie musste
irgendwie krank sein, denn keine Ratte würde sich normalerweise so verhalten.
Er sah sich um, entdeckte draußen vor der Tür einen Stallrechen, eben noch in
Reichweite. Sadima wandte sich zu ihm und blickte ihn fest an. Ihre Augen
wurden schmaler, dann weiter. Ihr Gesicht rötete sich, und sie begann zu
weinen. Die Ratte berührte ihre Wange mit den Vorderpfoten, drehte sich dann um
und sprang auf den Stallboden.
    Blitzschnell machte Micah einen Satz und
griff nach dem Rechen, hob ihn hoch und tötete die Ratte, ehe sie weiter
davonrennen konnte. Sadima kreischte. Micah fuhr zurück und drehte sich um,
weil er einen entsetzlichen Augenblick lang glaubte, dass sie sich wehgetan
oder die Ratte sie im letzten Augenblick doch noch gebissen hätte. Aber sie
starrte ihn nur an. Ihr Gesicht war verzerrt und böse. Die kleinen Hände hatte
sie zu Fäusten geballt.
    Micah beugte sich vor, um sie aus der
Raufe zu heben, und einen Moment lang war ihr ganzer Körper steif. Dann brach
sie in Tränen aus und presste sich schutzsuchend an seine Brust, wie sie es von
jeher tat. Er hielt sie fest und flüsterte ihr immer und immer wieder, den
ganzen Weg nach Hause, ins Ohr, er würde nie zulassen, dass ihr etwas geschähe.

6
     
    ALS DIE RÄDER DER KUTSCHE AUF DEN STEINEN
AUFSETZTEN UND SICH ZU DREHEN BEGANNEN, SPÜRTE ich, wie
mein
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