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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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Besorgung, die er dahingestammelt hat, möglichst geschickt zu verpacken, ärgert sich über den Quatsch, den er redet, und wird schon unterbrochen. »Wie lange dauert das?«
    »Fünfzehn Minuten.«
    »Dann gehen Sie gleich. In zwanzig Minuten treffen wir uns in der Halle.«
    Wenn das alles wegen seiner Tochter sein sollte, wird Robert sich nicht lange hier halten. Dann lieber wieder hinunter. Warum eigentlich? Seit wann reagiert er mit Depression auf eine Chance?
    Zwei Häuser neben dem Hotel Elite öffnet er die profilreiche Tür. Ob die Vermieterin ihn gegebenenfalls früher aus dem Mietvertrag entlassen könnte, ist seine Frage. Umständehalber.
    »Wenn Sie mir bis übermorgen definitiv Bescheid geben, läßt sich das machen.«
    Das glaubt er, noch etwas zögernd, weil heute alles so schnell geht, wahrscheinlich vielleicht rechtzeitig sagen zu können. Die kleine Dame lächelt an ihm hinauf. »Sie waren ein stiller und akkurater Mieter. Sehr selten heutzutage. Ich dachte mir schon, daß mit Ihrer Firmengründung nicht alles wohlbestellt sein kann, Ihre Auslandskorrespondentin hat mir den zweiten Schlüssel zurückgeschickt.«
    Robert erschrickt nicht einmal. Seine Antwort kommt akkurat: »Sie mußte überraschend nach Paris.«
    »Kopf hoch!« ruft die kleine Dame an ihm hinauf, »Sie werden schon erreichen, was Sie wollen. Man darf nur nicht aufgeben.«
    Höflich nickt der stille Mieter, spricht die Kündigung jetzt aus, gibt die Schlüssel zurück und verabschiedet sich. Die finanzielle Belastung hat aufgehört; Karl soll sein Geld schnellstens zurückbekommen. Die Sorge ist er los.
    Wie glatt das alles geht!
    Und wieso ist er so un-unglücklich? War es nicht schön? Aufregend? Wichtig? Sidonie hat ihn aus seinem Eheschlaf geweckt, souverän geküßt, ihn, den verbohrten Dornröserich ohne Staatsexamen. Wo bleibt der Schmerz? Als Robert die profilreiche Tür zum letzten Mal öffnet, kommt ihm ein Gedanke, daß er im Schritt innehält.
    Hatte seine Liaison letzten Endes gar nichts mit Sidonie zu tun? Sondern nur mit ihm selber? Gibt es das, den Partner als Vehikel? Zur Weichenstellung, zum Abbau eines Komplexes, zur Förderung vernachlässigter Eigenschaften?
    Da kommt sie, drüben auf der anderen Seite, Franziska. Sie kommt herüber in dem Kleid, das Sidonie für sie ausgesucht hat. »Robert! Was machst du denn hier? Hast du schon Mittagspause?«
    »Ich mußte etwas abgeben«, sagt er wahrheitsgemäß und küßt sie auf die Wange. »Und was tust du hier?«
    »Auf dich warten. Ich brauche den Wagen. Ich muß etwas erledigen. Etwas Dringendes.«
    »Soso.« Sie gehen die Straße hinauf. »Und ich muß oder besser: ich darf mit dem Chef essen. Zum Lunch gehen, wie er sagt.«
    Robert legt den Arm um sie, gibt ihr die Wagenschlüssel, fragt nicht, was das denn Dringendes sei, das sie zu erledigen habe. Sie wird selbständiger. So gefällt sie ihm.
    »Soll ich dir beim Ausparken helfen?«
    Nein nein, das will sie selbst können und kann es auch, macht es erstaunlich geschickt. Der Fahrlehrer scheint sich große Mühe mit ihr gegeben zu haben. Zum ersten Mal winkt er ihr nach, wie sie wegfährt; ein Blick auf die Uhr, er hat noch Zeit, geht in die Halle. Da kommt schon der Chef aus dem Lift, fünf Minuten zu früh. »Alles erledigt?«
    Robert nickt. Zu Fuß gehen die Herren mit den uni Krawatten zu dem teuren Restaurant in der Parallelstraße, füttern einander mit Belanglosigkeiten, bis die umfangreiche Speisekarte Schweigen erfordert.
    Es werden Kleinigkeiten, nichts Schweres bei der Wärme.
    »Und dazu einen Chablis?«
    Chablis. Robert nickt. Für ihn hört sich das Wort wie ein Auftakt an. Gleich wird der gepflegte Sechziger zur Sache kommen. Als Vater, nicht als Chef. Wozu sonst die Einladung zum Lunch?
    Doch es bleibt bei Belanglosigkeiten, bei Urlaubsorten und Erlebnissen in aller Welt, von denen der Weitgereiste berichtet, oft mit merkwürdigen Redewendungen.
    »In Rom haben wir ein pied à terre.« Zum Beispiel. Gemeint ist damit eine eigene Wohnung. Erst vor dem abschließenden Mokka kommt er zur Sache. Einfach und knapp, dabei sehr persönlich dankt er Robert für die elegante Art, wie er die Sache damals gelöst habe — so drückt er das aus. Doch sein Rat sei falsch gewesen, er erreiche Birgit nicht mehr. Unüberbrückbare Gegensätze, zu alt als Vater für diese Generation, zu konservativ. Er könne nur noch mit Geld helfen — oder schaden. Birgit habe alle Brücken abgebrochen und sei nach Amerika.
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