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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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nicht tiefgekühlt eingeflogen wird, weil der eigene Fang für die Touristen nicht mehr ausreicht oder von den Einheimischen für den Eigenbedarf zurückgehalten wird. Robert erinnert sich an eine diesbezügliche Bemerkung Sidonies. Vor allem die Seezunge scheint so eine Art Kälterer See unter den Fischen zu sein.
    Franziska schwelgt.
    Sie glaubt die Meeresfrische aus der Seezunge herauszuschmecken. Und Robert schwelgt. Er hat sich für Spaghetti entschieden. Das Lokal füllt sich, Gesichter tauchen auf, die man schon einmal gesehen zu haben glaubt; die Ferienwelt ist klein. Das zeigt sich auch, als die Gäste am übernächsten Tisch Platz nehmen: Sidonie mit ihrem Robert. Die Damen nicken einander zu, Sidonie gestikuliert, weil Franziska das neue Kleid trägt, Robert der Ältere grüßt gemessen herüber, nur der Jüngere rührt sich nicht. Er kann gerade nicht. Sein Kopf, über den Spaghettiteller gebeugt, wirkt wie ein Fesselballon, der von zahlreichen Plelfern an Seilen gehalten wird. Als der Ballon, mit allen Seilen an Bord, sich endlich hebt, sperren Arme über Arme das Blickfeld — der gastronomische Krake hat von den neuen Gästen Besitz ergriffen. Franziska sieht Robert an. »Sei nicht so unfreundlich. Grüß doch!«
    Sobald es ihm die Landes Spezialität erlaubt, gibt er Antwort.
    »Gleich, Liebes. Keine Sorge.«
    Und ganz offiziell sucht er zwischen den Armen des Kraken die grauen Augen. Aber sie schaut nicht herüber. Da zieht sich der Krake zurück. Jetzt wäre das Blickfeld frei, würde nicht Robert der Ältere Sidonie mit der großen Speisekarte, die er wie eine Zeitung in Händen hält, fast völlig verdecken. Vertieft in seine Lektüre, fällt ihm das aufwendige Nicken des Jüngeren doch auf, höflich entschließt er sich zur Blickwendung, zum Zurücknicken, und weil Franziskas Herzlichkeit ungebremst hinüberströmt, schließlich zu der Frage: »Was macht Ihre reizende Tochter?«
    Endlich senkt er die Speisekarte, und so wird, nach Angabe der Tätigkeit — sie schläft — , unter acht Augen Übereinstimmung erzielt: ein reizendes Kind, nein wirklich, ganz besonders. Robert findet Sidonies Blick, doch es ist nicht ihr Blick, sie lächelt fremd, unnahbar. Der ältere Robert erzählt Franziska, was er von Jennifer weiß. Daß sie aus derselben Stadt kommen, daß die Mami den Führerschein macht und der Pappi jeden Tag weit hinausschwimmt.
    Man lächelt über den plauderseligen Kindermund, bis Robert der Jüngere das Thema mit einer förmlichen Frage stoppt:
    »Sie sind nicht zum ersten Mal hier?«
    Da zeigt der Ältere Kennerlächeln; die Insel war einmal ein Geheimtip, sein Geheimtip.
    »Aber was ist heute noch geheimzuhalten auf die Dauer?« fragt Sidonie, und der Jüngere läßt das Besteck los. Was will sie damit sagen? In die Schrecksekunde platzen die Gäste, die den Tisch dazwischen bestellt haben, und machen auf sehr deutsche Art deutlich, wie stolz sie auf sich sind, sich so erlesen verwöhnen zu können. Die Fremdatmosphäre stört, der gastronomische Krake schlägt wieder zu, der Strom ist unterbrochen. Robert stochert noch ein wenig in seinem Teller herum, läßt aber keine Fesselballons mehr starten, und zahlt schon, als die Süßspeise serviert wird. Auch Franziska ißt still, bei den neuen Nachbarn die beste Lösung. Nachher bleibt es bei stummem Zunicken. Man sieht sich ja wieder.
    »Eine besonders nette Frau. Findest du nicht auch?« sagt Franziska an der frischen Luft. Gemessen nickt Robert. Sie erwartet auch gar keine Antwort, hängt an seinem Arm und denkt laut:
    »Aber irgend etwas ist mit ihr. Sie kann sich so verändern von einer Sekunde auf die andere. Vielleicht ist sie nicht gesund. Oder sie hat Launen.«
    Was soll er dazu sagen? Er nickt wieder.
    Im Hotel schaut Franziska nach den Kindern und Robert auf dem Balkon nach dem Himmel.
    Morgen kann es heiter werden.
    Drüben ist es dunkel. Im Bett greift er zur Grappaflasche. Nach ihm Franziska, und dann er noch einmal, bevor sie sich Hand in Hand entspannen.
    »Robert!«
    Er muß tief geschlafen haben, Franziska ist schon auf und gewaschen, während er nicht heraus will, sich erst bewegt, als sie ihn an den Fußsohlen kitzelt. Wo sie doch weiß, wie er das haßt. Gepolter.
    »Gibt’s bald Frühstück?«
    Die Scheißkinder haben recht. Draußen lauert wieder strahlender Sonnenschein. Drüben sind die Läden hochgezogen, die Balkontür steht offen, das Geländer ist leer. Keine Beeinflussung. Heute wird die Entscheidung
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