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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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Betten und entspannten sich Hand in Hand.
    Morgen muß er mit Sidonie sprechen.
    Robert ist voll und leer zugleich. Gurgelnd arbeiten seine Organe aus Protest gegen die hineingetrunkene Zumutung, mit der sie fertig werden müssen. Dumpf knabbert sein Bewußtsein an dem Problem; er kann sich nicht konzentrieren. Auch nicht nachdem Franziskas Hand ihn freigegeben hat.
    Lagewechsel, Durchatmen, Lagewechsel. Schlaf kündigt sich bei Robert mit Bildern an, abstrakt, Farben, die sich bewegen. Jetzt sind sie konkret. Er sieht Zollbeamte, die ihn einordnen in die Schlange vor einer Sperre. Alle halten ihre Papiere bereit. Nur er hat keine. Sidonie hat sie, aber Sidonie ist nirgends zu sehen. Jetzt muß er sie herzeigen, er beherrscht die Sprache nicht, wird aufgehalten, in einen Raum gesperrt, darf nicht telefonieren, nicht schreiben. Einer rüttelt ihn an der Schulter.
    »Robert, was hast du? Ist dir nicht gut?«
    Franziskas Atem streift ihn, Licht brennt, er schaut sich zurecht.
    »Was ist denn los?«
    »Du hast nach mir gerufen.«
    »Ich?«
    »Liebes, hast du gerufen und furchtbar gestöhnt und gezappelt.«
    »Ich hab geträumt. Entschuldige.«
    Schon dreht er sich wieder weg, zieht sich zurück ins Dunkel hinter den Augendeckeln. Wenn er auf der anderen Seite liegt, spürt er leichtes Sodbrennen. Dann ist es auf der Brust, in der Brust, um die Brust herum, mit Druck zum Kopf, und wenn er noch so tief und langsam atmet, die Unruhe siegt. Lagewechsel, Durchatmen, Lagewechsel.
    »Was hast du? Kannst du nicht schlafen?«
    Diese Fragerei! Getrennte Schlafzimmer — das wär’s jetzt. Er würde gern Licht einschalten oder auf den Balkon gehen. Der Wein war nicht gut.
    Irgendwann muß er doch eingeschlafen sein, denn ihm ist, als wäre er im Augenblick aufgewacht. Ruckartig ging das, wie ein Blitz durch die Muskulatur. Jetzt muß er sich entscheiden, ob er dem Druck auf die Blase nachgibt oder ihn zurückstellt hinter den Druck auf der Brust, gegen den er durchatmet, schließlich doch aufsteht und ins Bad geht. Ein Blick durchs Fenster: Es regnet.
    Kein anderer Tourist im Hotel empfindet die Naturzäsur so angenehm wie er. Regen bedeutet Zeit, Regen verhindert Hin und Her. Regen trennt. Denn das hat Robert gelernt: Einfache Sehnsucht ist erholsamer als doppelte Gegenwart.
    Drüben sind die Läden geschlossen; sein Badetuch hängt schwer in der linken Ecke. Robert hat Zeit, und Franziska liegt anmutig im Bett. Doch er schlüpft in die Pappi-Rolle.
    Zuerst kommen die Kinder.
    Es gilt, ihnen Ersatz für den Strand zu bieten. Das Frühstück im Elternbett wird zum Frühstück bei bewegter See. Martin macht Brecher mit dem Oberbett, bis auch die Untertassen überlaufen. Während die Betten frisch bezogen werden, findet im Zimmer der Kinder eine Kissenschlacht statt.
    Erst gegen elf kommt Franziska mit ihnen die Treppe herunter, auf der Suche nach weiteren Spielmöglichkeiten. Im Fernsehraum hat sich Elternentlastung gesammelt: Die englischen und portugiesischen Kinder spielen Tischfußball, Jennifer und Martin werden ihnen zugesellt. Mit einfachen Vokabeln, von ein paar schmuddeligen Geldscheinen grammatikalisch zusammengehalten, kann Franziska der südlichen Simultanmama hinter der Kaffeemaschine das Versprechen entlocken, die Kinder nicht aus den Augen zu lassen. Oben, im frischüberzogenen Bett, liegt Robert schlafbereit; draußen schützt Regen die Natur vor den Menschen, Franziska holt ihren Mantel.
    »Ich muß was besorgen. Bin gleich wieder da.« Gleichmäßige Atemzüge entheben ihn des Problems aller Probleme. Behutsam nimmt Franziska die Mode gewordene Gattenlaune vom Bügel, legt sie zusammen und ohne Rascheln in die Originaltüte. Sie muß sie umtauschen. Dafür, daß es zwickt und spannt, war das Kleid zu teuer.
    In der Touristenboutique lernt Franziska etwas dazu: daß die Fremdsprachenkenntnisse der Verkäuferinnen beim Verkauf enden. Rücknahme, Umtausch, Fehler des Schnitts werden in Fremdenläden bei freundlichstem Lächeln mitunter einfach nicht verstanden, ein Lächeln, dem ihre Schnellkurskünste unterm Sonnenschirm noch nicht gewachsen sind. Das beweist die sprachgewandte Kundin, die gerade das Geschäft betreten und sofort eingegriffen hat.
    »Sehr lieb von Ihnen«, bedankt sich Franziska, »ich war schon verzweifelt mit meinen paar Brocken.«
    Sie nickt nur und fährt fort, die braungebrannte Frau vom Strand, mit dem alten Mann unter dem Schirm, der sich mit Jennifer unterhalten hat. Sie übersetzt
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