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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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auch anderes hin und her transportiert, wie Schnupfen oder Schlimmeres, und in seinem seelischen Gleichgewicht von beiden abhängt. Wie sehr, das sollte Robert in den folgenden Tagen erfahren.
    Die Müdigkeit war überwunden; das Schwimmen bekam ihm gut. Es kräftigte seine Muskeln, förderte Appetit und Schlaf gleichermaßen. Da blieben Sidonies Balkonsignale plötzlich aus. Robert konnte sich das nicht erklären. Hatten sie nicht eigens Zeichen für unvorhersehbare Zwischenfälle ausgemacht?
    Als er sich nach dem Grund erkundigen wollte, war sie nicht am Strand. Nur ihr Vatermann saß, wie immer ganz in weiß, unter dem Sonnenschirm und las. Ein leichter Wind wehte vom Meer herein. Schließlich hielt es Robert nicht mehr aus, fand einen Vorwand und stahl sich ins Hotel. Doch drüben auf dem Balkon war nichts zu sehen, die Tür geschlossen und kein Zeichen. Die Ungewißheit trieb ihn ins Wasser. Er schwamm sich müde, um seine Nervosität vor der Familie zu verbergen. Es gelang. War er schon so routiniert? Abends mußte er zusätzlich mit Grappa dämpfen und lag trotzdem für Stunden wach. Die Brandung schien ihm lauter als bisher. Vielleicht schlug das Wetter um.
    Kein Zeichen auch am nächsten Morgen. Doch am Strand sah er sie. Sidonie! Gott sei Dank. Als Robert mit den Kindern spielte, wateten die Bronzebeine ins Meer. Der Wind hatte aufgefrischt, feine Gischt juckte in den Augen, es dauerte eine Ewigkeit bei dem Wellengang. Als er sie draußen bei der Anker kette zärtlich und voller Mitleid empfangen wollte, schnitt sie ihm das Wort ab. Was sie ihm zu sagen hatte, traf Robert wie ein schwerer Brecher.
    »Ich kann dieses Eheglück nicht mehr mit ansehen! Diesen rührenden Vater, diese selbstzufriedene Mutter, diese allerliebsten Kinderchen. Ich kann mir das nicht Tag für Tag antun und warten, bis Sie sich endlich ins Wasser bequemen, für drei Minuten zärtliches Zähneklappern, und dann wieder stundenlang dieses Familienglück vor Augen und abends einen Lappen auf dem Balkon, der mir etwas verspricht, das ich nicht kriegen kann. Ich habe Zeit, sehr viel Zeit. Deswegen kann ich nicht warten. Und ich sehe alles. Ich sehe es Ihrer Frau an, wann Sie mit ihr geschlafen haben. Ich schlafe nicht mit meinem Mann, wenn Sie’s wissen wollen. Ich kann ihn nicht mehr sehen. Ich mache so nicht weiter, ich gehe weg, nach Paris. Dort habe ich Freunde. Und Ihnen rate ich: Bleiben Sie bei Ihrer spießigen Frau, Sie passen zu ihr. Sie sind selbst ein Spießer!«
    Den letzten Satz sagte sie erst am nächsten Tag und schwamm ohne Abschied davon.
    »Schau, die haben was vor!« sagte Franziska zu ihrem unterkühlten Robert, als das Paar noch vor Mittag den Strand verließ. Ohne einen Blick. Schon war er auf den Beinen.
    »Ich muß meine Mütze holen. Ich kriege sonst einen Sonnenstich.«
    »Nimm meinen Hut. Ich brauche ihn nicht.«
    »Nein. Ich will meine Mütze.«
    Gerade wollte er die Balkontür öffnen, da trat sie drüben aus dem Zimmer und legte die Badesachen über das Geländer, ein Stück neben das andere über die ganze Breite.
    Ich denke an Sie!
    Gern hätte auch er über die Toppen geflaggt, aber die Badesachen waren ja noch in Betrieb. So mußte seine Unterhose herhalten als Begehrsignal in der rechten Ecke. Bis er sie fand, war Sidonie verschwunden. Der Vatermann trat auf den Balkon, suchte offenbar etwas, verschwand wieder und zog die Vorhänge zu. Robert legte sich aufs Bett; der Stimmungsumschwung mußte verkraftet werden. Auch wenn er sie verstand.. Drei Flaschen Rotwein brauchte Robert am Abend für sein inneres Gleichgewicht. Dann ließ sich auch das äußere nur noch in der Horizontalen stabilisieren. Franziska brachte ihn rechtzeitig in Sicherheit, mußte allerdings noch einmal aufstehen und ihn auf die Seite rollen, weil er schnarchte. Dann konnte auch sie schlafen. Erst im Salzwasser wird er wieder wach. Das Meer zieht ihm den Kater aus dem Kopf, den der Touristenwein dort eingezuckert hat. Was ist mit Sidonie? Warum kommt sie nicht? Robert ist schon an der Stehgrenze, schwimmt zurück, crawlt auf dem Rücken wieder hinaus, jede Armbewegung ein Winken: Kommen Sie! Kommen Sie doch!
    Endlich steht sie auf, schiebt das Haar unter die Bademütze, durchwatet schön die Brandung; mit Abstand nehmen sie Kurs auf die Yacht. Es wird ein aufgewühltes Wiedersehen bei der Ankerkette.
    »Robert, verzeihen Sie mir!«
    Mit Armen und Beinen umklammert sie ihn. Er hat Wasser geschluckt und hustet Öl. Mit gepreßter Stimme
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