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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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erreichten seine Worte mich nicht. Nach jedem Absatz sah ich zu Mommas Foto hinüber und spürte ein Erstaunen, als sähe ich es zum ersten Mal.
    Ich würde nie erfahren, warum diese Stürme in ihrer Seele getobt hatten und ob sie an diesem strahlenden Junitag ihre roten Schuhe angezogen hatte und mit voller Absicht vor den Eiswagen getanzt war, um sich von dem Leben zu befreien, das ihr unerträglich geworden war. Im Herzen wollte ich glauben, dass es ein Unfall war – dass sie vielleicht auf der anderen Straßenseite etwas Hübsches gesehen und für einen winzigen Moment vergessen hatte, wo sie war und was sie tat. Ich wollte glauben, dass der Polizist recht gehabt hatte, als er sagte, es sei so schnell gegangen, dass sie nichts gespürt hat.
    Im Großen und Ganzen hatte ich mit meinem Leben in Willoughby Frieden geschlossen. Aber der Tag, an dem Momma starb, war immer noch wie ein blauer Fleck, der mir wehtat, wenn ich dranstieß.
    Ich glaube, das wird immer so bleiben.
    So vieles am Leben und am Tod meiner Mutter würde immer ein Geheimnis bleiben, aber als ich so im Bett lag und mich an sie erinnerte, wusste ich eins ganz sicher: Selbst in ihren schlimmsten Momenten, wenn in ihren Augen ein Feuerwerk abbrannte und ihr die Haare zu Berge standen, hatte Momma mich geliebt.
    Mit diesem Gedanken setzte ich mich auf, zog die oberste Schublade meines Nachttischs auf und holte das rosa Satintäschchen heraus. Mommas Kette glitt in meine Hände. Ich hielt sie in den Lampenschein und bewunderte den sanften Glanz und die kleinen Unvollkommenheiten jeder Perle. Wie schon so oft hielt ich sie in der Hand, bis sie warm wurde. Und ich dachte an die Geschichte, die Momma mir erzählt hatte – wie die Auster gegähnt hatte und ein Sandkorn in ihren Mund eingedrungen und langsam zur Perle geworden war. Damals hatte ich gedacht, sie hätte diese Geschichte erfunden, aber Jahre später las ich ein Buch über das Meer und stellte fest, dass meine Mutter die Wahrheit gesagt hatte.
    Ich löschte das Licht, legte den Kopf aufs Kissen, atmete die duftende Nachtluft ein und genoss das Gefühl von Mommas Perlen in meiner Hand. Und beim Einschlafen hörte ich ihre Worte: » Wenn wir Verletzungen überstehen, machen sie uns stärker und schöner .«

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Kapitel 30
    I ch konnte es kaum glauben. Wer war das Mädchen im Spiegel? Ich drehte mich von einer Seite auf die andere, ein albernes Grinsen im Gesicht, als würde ich für eine Zahnpastareklame proben. Zum allerersten Mal in meinem Leben war ich stolz auf mich und fand mich sogar, nun ja, ganz hübsch. Oletta hatte meine neue Bluse gewaschen und perfekt gebügelt, das Karomuster des Kilts verlief genau entlang der Falten, und die Knöpfe meines neuen roten Blazers glitzerten in der Morgensonne wie eine Reihe Glückspennys. Als ich über das Abzeichen der Rosemont School for Girls strich, das auf der Brusttasche aufgenäht war, fühlte ich mich wie im Traum.
    Ich zog meine Kniestrümpfe hoch, schlug das Ende um und schnürte meine neuen Halbschuhe mit perfekten Schleifen.
    »Okay«, sagte ich zu mir selbst und warf einen letzten Blick in den Spiegel. »Jetzt geht’s los, CeeCee. Der wichtigste Tag deines Lebens. Versau ihn nicht.«
    Ich holte tief Luft, straffte meine Schultern und ging hinunter.
    Tante Tootie, Oletta und Mrs Odell unterhielten sich in der Küche. Als ich hereinkam, drehten sie sich um und sahen mich an.
    »Oh Cecelia Rose. Du siehst wirklich hinreißend aus«, sagte Tante Tootie und stand vom Tisch auf. Sie strich mit beiden Händen über die Ärmel meines Blazers und zupfte mir einen winzigen Fussel vom Revers.
    Mrs Odell nahm meine Hand. »CeeCee, du glaubst nicht, wie glücklich ich bin, heute dabei zu sein.«
    Oletta schenkte mir ein Glas Orangensaft ein. »Wie ich heut Morgen aufgestanden bin, hab ich gleich gesehen, der liebe Gott hat dir persönlich ein frisches Lüftchen und Sonnenschein zum ersten Schultag geschickt. Ich glaub, das wird ’n toller Tag, Kind.«
    Ich setzte mich an den Tisch, trank meinen Saft und fragte mich, wie der erste Tag wohl werden würde. Aber vor allem anderen fragte ich mich, ob Dixie McAllister mich wie versprochen um Viertel vor acht abholen würde.
    Dass Oletta das Frühstück in der Küche servierte, statt im Frühstücksraum, überraschte mich. Und es überraschte mich auch, dass Tante Tootie den Reservestuhl herauszog und Oletta bat, sich zu uns zu setzen, was sie mit einem breiten Lächeln tat.
    Und da saßen wir –
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