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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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so stand und mir der Wunder meines neuen Lebens bewusst wurde, wusste ich, dass Savannah mein Zuhause war. Hier war ich sicher, hier gehörte ich her, und das würde immer so sein.
    So wütend und verletzt ich auch gewesen war, als mein Vater mein Schicksal besiegelt und mich zu Tante Tootie geschickt hatte, wusste ich jetzt, dass er recht gehabt hatte, als er sagte: »Eines Tages wirst du mir dafür dankbar sein. Das verspreche ich dir.«
    Vielleicht würde ich ihm einen Brief schreiben und ihm sagen, dass er recht gehabt hatte. Nicht sofort, aber irgendwann mal.
    Aus dem Augenwinkel sah ich Miz Obee über die Terrasse gehen und glücklich die Glasperlen von Miz Hobbs’ zerrissener Kette einsammeln. Sie steckte sie sich, eine nach der anderen, vorne ins Kleid.
    Alle taten, als würden sie es nicht sehen.
    Später am Abend, nachdem wir Gute Nacht gesagt und uns Richtung Bett begeben hatten, stand ich am Fenster. Das Louisianamoos hing von den Bäumen wie kilometerlange grüne Spitze, und weiter unten schien der gelb-weiß gestreifte Pavillon zu schweben, als hinge er an den beschwingten Erinnerungen an einen Tag, der der Verrufenheit von Gartenfesten sicherlich alle Ehre gemacht hatte. In der Ferne auf Miz Goodpeppers Veranda flackerte eine Kerze. Ein weißes Gespenst bewegte sich über ihren Rasen, und kurz drauf hörte ich einen Wasserhahn quietschen, gefolgt von einem Plätschern. Im schwachen Mondlicht sah ich Miz Goodpepper ein Glas an die Lippen heben und langsam einen Schluck Wein trinken. Sie steckte sich das Haar hoch und schob sich den Morgenmantel von den Schultern. Er glitt an ihr hinunter und lag ihr zu Füßen wie Buttermilch. Dann stieg sie in die Wanne und ließ sich nieder, und ich konnte sie nicht mehr sehen.
    Auf meiner Kommode lagen die Fotos, die ich bei dem Fest gemacht hatte. Ich steckte sie alle vorsichtig hinter den Spiegelrahmen. Aus einem Umschlag in der obersten Schublade holte ich das Bild, das ich von Lucille und Rosa bei ihrem freitäglichen Straßenpicknick gemacht hatte, und steckte es zwischen die anderen. Ich zog das Band aus meinem Haar und hängte es so über den Spiegel, dass es um die Bilder fiel. Als ich fertig war, trat ich zurück und bewunderte mein Werk. Es sah aus wie ein Lorbeerkranz.
    Ich ließ den Blick von einem Frauengesicht zum nächsten wandern und betrachtete jedes einzelne Lächeln. Und da überkam mich ein eigenartiges, fremdes Gefühl. Ich ging durch das Zimmer und holte das Album meiner Mutter unter der Matratze hervor. Die vertrockneten Schutzblätter knisterten, als ich durch die Seiten blätterte – Seiten, die wie die Träume meiner Mutter im Laufe der Zeit fleckig geworden waren. Ich fand das Bild, auf dem sie als Schönheitskönigin auf dem Podest steht. Mommas Augen strahlen vor Hoffnung und Erwartungen, und das brünette Haar fällt ihr üppig und glänzend über die Schultern. Ihr perfektes weißes Kleid ist so frisch wie der junge Morgen, und das Diadem glitzert. Und dann ist da natürlich diese blöde grüne Schärpe, die sie so begehrt hatte, von der Schulter zur Hüfte: Zwiebelkönigin Vidalia 1951 .
    Vorsichtig löste ich das Bild aus dem Album. Ich pustete ein paar Staubflocken weg, trug es durchs Zimmer und stellte es an den Spiegel. Nun waren sie alle da, alle Frauen aus meinem Leben. Mir fiel auf, dass ich bis auf Momma und Mrs Odell am Anfang des Sommers noch keine von ihnen gekannt hatte, und trotzdem all diese Frauen bereits ihren ganz eigenen Fingerabdruck in meinem Lebensbuch hinterlassen hatten.
    Ich drehte mich um und schaute in den Himmel. Die Nacht war dick wie Tinte, und hoch oben über den Bäumen sah ich einen einzelnen Stern blinzeln.
    »Hallo, Momma«, flüsterte ich. »Hoffentlich bist du gut im Himmel angekommen. Ist es schön da? Hast du eine Freundin, mit der du reden kannst? Wahrscheinlich weißt du das schon, aber ich wohne jetzt bei Tante Tootie in Savannah. Manchmal war ich ganz schön genervt, wenn du immer von den Südstaaten geredet hast, aber jetzt verstehe ich, warum du sie so geliebt hast. Mrs Odell ist auch hier. Hast du das gewusst? Morgen fängt die Schule an, davor habe ich ein bisschen Angst. Ich weiß ja nicht, wie das da oben im Himmel funktioniert, aber wenn du kannst, schick mir doch ein bisschen Glück. Gute Nacht, Momma.«
    Ich war nicht besonders müde, also nahm ich das Buch, das Miz Goodpepper mir geschenkt hatte, mit ins Bett. Aber obwohl Eugene Field wirklich ein großartiger Erzähler war,
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