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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah
Autoren: Beth Hoffman
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fällig. Ich musste dieses Kleid anziehen und so tun, als wäre ich glücklich darin.
    Als es vollbracht war und ich in schwarzen Lackschuhen, Spitzensöckchen, weißem Kleid und allem steckte, trat Oletta einen Schritt zurück, stemmte die Arme in die Hüften und sah mich an. »Du siehst wirklich ganz schön anders aus wie das Gossenkind, was hier vor paar Wochen angekommen ist.«
    Ich drehte mich um und ging ans Fenster. Der Garten füllte sich bereits mit Tante Tooties Freundinnen.
    »Zeit, runterzugehen.«
    »Geh schon mal vor, Oletta. Ich komme gleich.«
    Sie legte mir die Hand auf die Schulter. »Was hast du denn?«
    »Es ist nur, na ja, dieses Kleid.« Ich schämte mich, es ihr zu sagen.
    Ihre Stimme wurde ein paar Oktaven höher. »Du magst es nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Warum das denn? Ich hab in meinem ganzen Leben noch kein so schönes Kleid gesehen!«
    Ohne ein weiteres Wort ging ich zu meinem Bett, kniete mich hin und zog Mommas Album unter der Matratze hervor. Langsam schlug ich das Bild auf, das in dem Moment aufgenommen wurde, als sie Zwiebelkönigin von Vidalia wurde.
    Oletta schürzte die Lippen und betrachtete das Bild. Sie setzte sich aufs Bett. »Ich weiß, was du auf dem Bild siehst, und ich hab was dazu zu sagen.« Sie sah mir in die Augen. »Zieh dir keinen Schuh an, der dir nicht gehört. Das hier auf dem Bild ist deine Momma, nicht du. Und das Kleid, was sie da anhat, ist nicht das Kleid, was du anhast.
    Deine Momma war krank im Kopf, und das ist mächtig traurig. Ich kann gar nicht sagen, wie mir das leidtut, was du in deinem kleinen Leben schon erlebt hast. Aber was mit deiner Momma passiert ist, hat nichts mit dir zu tun, und schon überhaupt nicht mit dem Kleid.«
    Oletta klopfte aufs Bett, und als ich mich neben sie setzte, nahm sie meine Hand. »Nimm das, was Miz Tootie dir schenkt, und halt es gut fest. Verplemper nicht die ganzen prächtigen Tage, die noch kommen, weil du an das denkst, was schon vorbei ist. Lass los, Kind. Einfach ausatmen und loslassen.«
    Ich hob die Mundwinkel und nickte. »Du bist so klug, Oletta.«
    »Leute sind klug, weil sie rausgehen in die Welt und leben. Klug ist man aus Erfahrung. Weil man weiß, dass jeder Tag ein Geschenk ist, und das dankbar annimmt. Du liest ’ne Menge Bücher, und bist davon ziemlich gebildet geworden, aber kein Buch auf der Welt macht dich klug.«
    Oletta stand auf. »So, los geht’s, da unten wartet ein Haufen nette Damen auf dich.«

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Kapitel 29
    O letta hielt meine Hand, als wir aus der Tür auf die Veranda traten. Ohne ihre erdende Kraft hätte ich vielleicht kehrtgemacht und wäre ins Haus zurückgelaufen. Auf eine solche Farbenpracht und ein solches Geplapper war ich nicht vorbereitet gewesen. Wohin ich auch sah, standen Frauen in Chiffonkleidern und Blumenhüten in kleinen Grüppchen wie pastellfarbene Blumensträuße.
    Oletta beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Das schaffst du schon – einfach immer lächeln.«
    Als Tante Tootie mich sah, kam sie mit ausgebreiteten Armen über die Terrasse auf mich zu. »Da ist sie ja! Jetzt könnt ihr alle meine zauberhafte Großnichte kennenlernen.«
    Das Geplauder verstummte, und alle drehten sich um und sahen mir zu, wie ich die Treppe hinunterging. Meine Knie wurden zu Gummi, und mein Puls ging schneller. Ehe ich mich’s versah, hatte Tante Tootie mich an der Hand genommen und mich in die duftende Menge gezogen.
    Ich wurde von einer Gruppe Frauen zur nächsten gereicht. Ich wurde in die Wange gekniffen und geküsst, ich wurde bestaunt und aufgefordert, mich zu drehen, damit man mein Kleid von allen Seiten betrachten konnte. Nach einer Weile kam ich mir vor wie eine Tänzerin auf einer Spieldose. Ich wurde »Schatz« und »Liebchen« und »Herzchen« und »Zuckerpfirsich« genannt. Ich wurde so oft gesegnet, dass ich schon nicht mehr mitzählen konnte.
    Eine ältere Dame mit einer Windbeutel-Frisur und Schlafzimmerblick schlurfte auf mich zu. Um den Hals trug sie reihenweise Perlen. Auf ihrer Schulter saß wie ein gut dressierter Papagei eine riesige gelbe Brosche, die in der Sonne glitzerte. Sie tätschelte mir den Arm. »Du hast schönes Haar«, sagte sie mit dünner, trockener Stimme. »Als junges Mädchen hatte ich auch langes Haar.«
    Ich mochte sie sofort.
    Eine andere Dame zog mich beiseite. »Oh, wirklich. Kaum zu glauben. Du bist das Ebenbild der jungen Bobbie-Lynn Calhoun.«
    Ich hatte keine Ahnung, wer das war, fragte aber nicht nach, weil
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