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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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Flugleitung,
deren Richtigkeit außer Frage stand. Außer für die wenigen Beamten, die dort
ihren Dienst versahen, gab es auf Phobos keinerlei Unterkünfte. Die
zweiundvierzig, die nach den Feierlichkeiten wieder ihre lange Rückreise zur
Erde antraten, wurden deshalb, in Ermangelung komfortablerer Alternativen, in
der nicht gerade einladenden Abflughalle untergebracht. Nur der Alte, nachdem
alle um seine Identität wussten, hatte das Privileg, in der Dienstwohnung des obersten
Beamten der Einreisebehörde wohnen zu dürfen. Das führte dazu, dass er am Tag
des Abfluges einer der wenigen Ausgeschlafenen war; seine Stimmung war auch
dementsprechend gut. Bevor er das Schiff bestieg, sah er noch einmal durch die
Fenster, sah die öde Wüste Phobos’, Krater, Krater und noch mehr Krater; ein
Stück dahinter füllte seinen Horizont zur Gänze die Scheibe des Mars aus. Sogar
von hier oben konnte er ›Olympus Mons‹ sehen, den höchsten Berg, den größten
Vulkan im Sonnensystem, die drei Vulkane der ›Tharsis Montes‹ und südlich davon
›Noctis Labyrintus‹, das Labyrinth der Nacht von Tälern und Canyons durchzogen,
die sich bis zu fünf Kilometer tief in die Landschaft schnitten, an dessen
westlichem Ende die Marsbasis lag. Gleich darauf entzog der Mars, getrieben von
seiner unbeirrbaren Rotation, diese so vertraute Gegend seinem Gesichtsfeld. Sein
Blick wurde intensiver, als wollte er mit dem Planeten, mit dem
charakteristischen Staub, der die Oberfläche wie ein achtlos hingeworfener
Mantel bedeckte, verschmelzen. Er dachte an seine Tochter, sah sie vor sich,
wie sie in ihrem Raumanzug von der Leiter sprang, sich mehrmals um sich selbst
drehte, ihre Arme in den orangen Himmel warf, »ich bin hier, ich bin wirklich
hier« rief und sich übermütig in den Sand fallen ließ.
    »Mr McDonnel, es ist Zeit zum Einsteigen«, holte ihn eine
Stimme aus dieser so wunderbaren Vorstellung in die Gegenwart zurück.
    »Zeit! Zeit!, junge Frau. Zeit
für den Abschied muss sein, Zeit für ein Lebewohl.« Mit einer Zufriedenheit und
Ruhe, die er seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gefühlt hatte, ging er den
Korridor zum Schiff hinauf.
    Als Robert auf dem Schirm der Flugleitung ein helles
Pünktchen, das gleich einer aus einer Laserkanone abgefeuerten Silberkugel aus
dem Orbit schoss, sah, wusste er, dass der Alte seine Mission erfolgreich abgeschlossen
hatte.
    Während den unzähligen, niemals langweiligen Stunden, die er
mit ihm verbrachte, hatte er ihn dann und wann mit seinen Meldungen genervt.
Aber wie immer die Formulierung auch ausgefallen war, zwei Worte brachte Robert
einfach nicht mehr aus seinem Kopf: ›Recherchieren Sie!‹ Und das wollte er auch
tun. Der Alte hatte seine Neugier angefacht, sein Interesse geweckt, seinem
Schatzsucherinstinkt Leben eingehaucht. Alles, was mit der Geschichte der
ersten Marslandung in Zusammenhang stand, interessierte ihn plötzlich, ließ ihm
keine ruhigen Momente mehr und nistete sich in seinen Gedanken an so dominanter
Stelle ein, dass sogar Danielle dadurch in die zweite Reihe verbannt wurde. Wie
besessen klopfte er mit seinen Händen auf die gläserne Oberfläche des
tischplattengroßen Monitors. Er durchstöberte Archive, wählte sich in
Datenbanken ein und dort, wo dies nicht legal möglich war, musste sich eben
eine weniger legale Möglichkeit auftun, rief Dokumente und Aufzeichnungen ab.
Dies ging drei Tage so, in denen er ein nicht unerhebliches Schlafdefizit
aufbaute. Dann schloss er seine Recherchen ab, und mit einem zufriedenen Lächeln
dachte er, dass selbst der Alte mit dem, was seine Nachforschungen ergeben
hatten, zufrieden gewesen wäre.
    Der Sturm hatte sich rascher verzogen, als die optimistischsten
Meteorologen prophezeit hatten, und die untergehende Sonne legte lange Schatten
über das Tal und das kühle Rot des Tages wandelte sich in ein warmes Orange. Er
wählte auf seinem Kommunikator das Gesicht von Danielle und ging auf ›Verbindung
herstellen‹.
    Nach dem siebenten Läuten meldete sich auch sofort Danielles
Stimme.
    »Ich bin’s, Robert«, sagte er, ohne ihre Begrüßung
abzuwarten, »du glaubst gar nicht –«
    »Welcher Robert?«, fuhr sie dazwischen.
    »Danielle, bitte, lass die Scherze jetzt. Das ist jetzt
wirklich nicht –«
    »Robert? Doch nicht der Robert, der die letzten Tage vom
Mars verschwunden war?«
    »Danielle, ich –«
    »Doch nicht der Robert, der es nicht einmal der Mühe wert
gefunden hat, sich bei mir zu melden.«
    »Hör mir doch
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