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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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einmal zu, Danielle! Es ist etwas wirklich–«
    »Doch nicht der Robert, der mich vor zwei Tagen versetzt hat,
als ich ihn zum Abendessen eingeladen hatte.«
    »Verdammt!«, rutschte es ihm heraus. Dann war es still in
der Leitung.
    »Was gibt’s denn so Wichtiges, dass du dich plötzlich wieder
an meine Nummer erinnerst?«
    »Es tut mir leid«, begann er kleinlaut. »Ich steckte mitten
in der Arbeit und hab’ unser Treffen ganz übersehen.«
    »Wenn du jetzt schon ein Treffen mit mir vergisst, was soll dann
erst später werden?«
    Er hörte den Ernst aus ihrer Stimme heraus. Eine unangenehme
Pause entstand.
    »Was hattest du denn so Dringendes zu tun, dass du dich drei
Tage lang nicht melden konntest?«
    »Ich habe recherchiert.«
    »Du hast was?« Ihr lautes vergnügtes Lachen schmerzte in
seinem Ohr.
    Er wusste nicht, was daran jetzt so komisch war.
    »Du hast recherchiert, wirklich recherchiert? – Nein, ist
das komisch.« Erneut lachte sie auf, dass er das Gefühl hatte, ein leichtes
Beben lief unter der Station hindurch. »Der Herr Journalist hat recherchiert!«
    »Ich ruf dich wohl besser später an, wenn du dich wieder
etwas beruhigt hast«, sagte er genervt.
    »Nein, das ist nicht nötig«, platzte sie heraus. »Es ist
gleich so weit, warte noch einen Augenblick.« Er sah auf dem Bildschirm, wie
sich Danielle über ihr Haar strich, sich aufrechter hinsetzte, als gelänge es ihr
damit, ihr Lachen besser in Schach halten.
    »Also, ich habe in Karens Vergangenheit recherchiert«,
begann er zaghaft. Erst als Danielle erneut losbrüllte, wurde ihm klar, dass ihm
unvorsichtigerweise erneut das Reizwort entschlüpft war. Er sah, wie ihr langes
Haar quirlig um ihren Kopf tanzte, sah, wie sie sich in ihrem Sessel vor und
zurückwarf und dann beide Hände vor ihr Gesicht schlug. Waren das Tränen, die
sie sich von den Wangen trocknete?
    »Hast du jetzt Zeit?«, fragte er und es war ein einzelner,
verlorener Strohhalm, der ihm als letzter Ausweg schien.
    »Warum?«
    »Ich könnte mit einer Flasche dieses synthetischen Getränks,
das sich Marswein nennt, vorbeikommen und dir das, was ich …«, er dachte nach,
»gefunden habe, persönlich erzählen.«
    »Geht klar. Sei in fünfzehn Minuten bei mir.«
    Kommandierend und dominant waren ihre Worte, doch vermutlich
verdiente er es genau so. Ohne auch nur an einen Umweg zu denken, machte er
sich direkt zu ihrer Unterkunft auf. Er ging einige, mit künstlichem Licht
durchflutete und alle paar Meter durch ein Schott abtrennbare Gänge entlang,
gelangte dann auf die kreisrunde Plaza, von der aus man zu den wenigen Geschäften,
Lokalen und Gemeinschafträumen zutritt hatte und wo er die angesprochene
Flasche Wein besorgte. Von dort erschloss sich der für einen Neuankömmling
höchst komplex und verwirrend angelegte Teil der Station, in dem die
Unterkünfte der Bewohner lagen. Danielle stand als Leiterin eine Suite zu.
Diese war, so wie es vermutlich auf der Erde auch gewesen wäre, von der Plaza
am weitesten entfernt, lag auf dem obersten Deck und bot eine atemberaubende
Aussicht in das Tal hinaus, an dessen westlichem Ausgang sich irgendwo ›Arsia
Mons‹ mit seinen achtzehn Kilometern Höhe erheben musste.
    Eine ebenso grandiose Aussicht bot sich Robert auch, als er,
nachdem er dreimal energisch geklopft hatte, ohne eine Aufforderung abzuwarten,
einfach in Danielles Quartier trat. Nur mit schwarzen Strümpfen bekleidet stand
sie vor ihm und zwängte sich gerade in ein ultrakurzes, in blasphemischem
Dunkelblau gehaltenes Kunstfaserkleid, das ihre Silhouette enganliegend umschloss.
    »Du bist zu früh«, sagte sie und versuchte ihre Worte mit
dem nötigen Ernst zu transportieren.
    »Als Journalist habe ich ein Gespür dafür und deshalb würde
ich meinen, ich komme genau richtig.«
    »Wie wäre es mit einer Entschuldigung?«
    Er setze ein breites Grinsen auf. »Es tut mir aber nicht
leid, dass ich hereingeplatzt bin. Die Aussicht war es wert.«
    »Du bist wirklich unmöglich«, sagte sie und konnte ihre
Erheiterung nicht verbergen. Dann streifte sie noch die Schuhe mit den hohen
Absätzen über.
    Ein Knistern lag in der Luft, von dem er nicht sagen konnte,
ob es nur in seiner Einbildung existierte, ob es von dem synthetischen Stoff kam,
der ihren Körper umspielte, oder ob es einen sich anbahnenden Kurzschluss in
der dezenten Deckenbeleuchtung ankündigte. »Ich bin immer wieder überrascht,
was für eine sexy Mode die schon im 20. Jahrhundert hatten«, war er
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