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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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sich das Gesprächsprotokoll mit Karen als
falsch erwiesen hatte, aufgrund von Erpressung oder Nötigung einer Untergebenen
– Nicole Moore – angeklagt und verurteilt worden. In Alcatraz, das die Behörden
als Justizanstalt für Frauen, wie es offiziell hieß, auf Grund des großen
Andrangs wieder aufsperren mussten, saß sie einige Jahre ein – im Smog der San
Francisco Bay. Karriere vorbei, Leben ruiniert.«
    »Dann gibt es also doch noch Gerechtigkeit!«, rief Robert
enthusiastisch.
    »Vorsicht, junger Freund. Fallen Sie nicht wieder in ein
Vorurteil. – Manchmal, würde ich sagen.« Der Alte starrte vor sich hin. Dann
zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Ab und an nimmt Justitia ihre
Augenbinde ab und dann, ja dann gibt es sie.«

18
    Als Robert dem Alten sieben Tage
später gegenüberstand, um sich von ihm zu verabschieden, war es ihm nicht
gleichgültig, dass der alte Mann ihn nun verließ. Mit dessen über neunzig Jahren
würde er vermutlich kein weiteres Mal das Glück haben, ihm zu begegnen. Er trat
auf ihn zu und wollte ihm schon seine Hand hinstrecken.
    »Sie haben mich einmal gefragt, was aus meiner Tochter
geworden ist«, sagte der Alte gänzlich unerwartet.
    »Sie vertrösteten mich auf später. Ich wollte Sie nicht
drängen und dachte, wenn Sie soweit sind, werden Sie es mir erzählen.«
    »Nach allem, was damals geschehen war, ging es ihr eine Zeit
lang ziemlich miserabel. Sie konnte nicht mehr arbeiten, hatte irgendwann keine
Motivation mehr; begann immer weniger zu essen, was sie damit kompensierte,
dass sie mehr und mehr Alkohol in ihren Körper schüttete. Beinahe vier Jahre ging
sie dann in Therapie; die Psyche, Sie verstehen. Aufgegeben hat sie sich aber
nie.«
    Robert glaubte bei diesen Worten ein wenig Stolz aus seiner
Stimme zu hören.
    »Einmal sagte sie zu mir, dieses Mal wird es wohl etwas
länger dauern, Dad, bis ich mich aus dieser Hölle befreit habe, und es gelang
ihr beinahe ein Lächeln. Ich stand daneben und konnte sie nur bewundern, dass
sie in so einer Situation so stark war und diese Worte herausbrachte. Es war eine
Entscheidung planetaren Ausmaßes gewesen und die Verantwortlichen waren nicht
bereit, diese nach Shannons Gerichtsurteil zu revidieren. Wissen Sie, es ging
nicht nur allein um die Tatsache, dass sie nicht als die erste Frau am Mars in
die Geschichte einging. Worum es ihr in den Jahren danach ging, war
Anerkennung. Anerkennung für ihr hartes Training, für ihr Engagement, für die
Verantwortung, die sie übernahm und natürlich die Anerkennung dessen, was
tatsächlich geschehen war.«
    »Sie müssen jetzt einsteigen, Mr McDonnel«. Ein junger Mann
im Overall der Bodencrew trat auf ihn zu. »Die anderen Passagiere sind schon
alle an Bord und der aufziehende Sturm wird in wenigen Minuten jeden weiteren
Start verhindern …«
    John McDonnel machte einen Schritt in Richtung Shuttle, sah am
Talausgang die himmelhohe Wand aus schwarzen Wolken, die jeden Augenblick die
Station erreichen musste. Er blieb stehen, wandte sich erneut zu Robert um.
    »… vielleicht für Monate«, versuchte der Mann die Dringlichkeit
seiner Aufforderung zu unterstreichen.
    »Als die Ärzte schon sagten«, begann der Alte, »sie wäre
wieder auf dem Weg der Besserung, da …«
    Der Mann in dem Overall ließ sich nicht beirren und schob
den widerspenstigen Passagier weiter Richtung Shuttle.
    »Was war denn nun?«, versuchte Robert doch noch das Ende der
Geschichte zu erfahren.
    »Es tut mir leid, aber Sie sehen ja, die wollen mich hier
mit aller Vehemenz loswerden.« Und zu dem Bediensteten: »Sie Flegel, jetzt
lassen Sie mir noch zwei Sekunden!« Der Alte riss sich los und wieselte flink,
was weder zu seiner Kleidung, noch zu seinem Alter passte, einige Schritte auf
Robert zu. »Alles Gute, junger Freund. Ich wünsche Ihnen alles Gute«, dann
umarmte er ihn und drückte ihn fest an sich und verschwand im Passagierraum des
Shuttles.
    »Für Sie auch alles Gute, leben
Sie wohl und …«, aber da schloss sich bereits das Schott zum Shuttle, »… danke«,
setzte er noch hinzu, obwohl es den Alten nicht mehr erreichte.
    Staubig und undurchdringlich war die Wolke aus rotem Sand. Nur
Minuten, nachdem der Shuttle die Startrampe im Tal der Station verlassen hatte,
blockierte der Sturm jegliche Aktivitäten außerhalb der Basis. Die Passagiere,
die mit zur Erde zurückwollten, wurden nun bereits zwei Tage früher als geplant
mit der Raumfähre nach Phobos evakuiert. Eine Entscheidung der
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