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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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spinne, sagte Regine, als sie auf den Dachboden kam und die merkwürdigste Puppenstube betrat, die sie je gesehen hatte.
    Zsazsa wollte zur Begrüßung an ihr hochspringen, aber Pola hielt sie zurück und sagte, ohne Regine Novak die Hand zu geben, vielen Dank, dass Sie gekommen sind, es gibt Bratkartoffeln. Timons Lieblingsgericht, der Himmel allein weiß, warum.
    *
    Diesen eigenartigen Geruch der Zwiebel, der in die Nase und in die Augen steigt, würde Jule Tenbrock nie vergessen, das Scharfe und gleichzeitig Süße, diesen Geruch, von dem man augenblicklich verrückt nach dem Leben wird und im selben Moment auch schon heulen muss. Während sie ihre Staying-alive-Übungen vor dem Bildschirm absolvierte, kroch aus dem Treppenhaus genau dieser Geruch zu ihr in die Wohnung hinein, erst schwach, aber unverkennbar, er wurde rasch stärker, und bald war die ganze Wohnung davon erfüllt.
    Zwiebel. Eindeutig roch es nach Zwiebeln.
    Das war der Moment, in dem Jule die Show ausstellte, sich anzog und auf den Dachboden ging.
    Was sie da eigentlich wollte, wusste sie nicht so ­genau, aber eines war sicher: Wenn sie die Zwiebel in der Wohnung riechen konnte, konnten die anderen Leute im Haus das mit Sicherheit im Treppenflur auch.
    Sie überlegte, ob sie eine Ladung Vaporix versprühen sollte, aber dann dachte sie an den Wutausbruch ihres Chefs heute Mittag, seine böse Bemerkung über die Deos und Sonnencremes. Ihr Vaporix hatte Mering idiotisch genannt, und das andere mit dem Syndrom hatte Jule zwar nicht verstanden, aber es hatte sie nachdenklich gemacht. Also desinfizierte sie nicht, sondern ging einfach hoch.
    Und da oben fand sie sich plötzlich in der merkwürdigsten Puppenstube, die sie je gesehen hatte. Jule Tenbrock hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie es gemacht hatten, aber da stand eine Art Häuschen unter einer der Dachschrägen, zwei Wände aus Unmengen Angebotsprospekten, kein Wunder, dass im Treppenhaus keine Prospekte mehr gelegen hatten; als Eingang hatten sie eine Wäscheleine gespannt und eine bunte Steppdecke daran gehängt, der Boden war dick mit Prospekten gepolstert, und vor der Hütte lagen, passend zur Steppdecke, ein paar Kissen, darauf saßen Jules Nachbar, die Frau mit dem Hund und jemand, den Jule nicht kannte.
    Das Geschirr, das neben der Kochplatte stand, kannte sie allerdings, Royal Copenhagen. Das komplette Service musste weit über vierundzwanzig Teile haben, sie sah Schüsseln, Platten, eine wunderschöne Kaffeekanne mit Zuckerdose und Sahnekännchen, und in einer der Schüsseln lag echtes Besteck. Silber, dachte Jule, das könnte Silber sein. Oder so etwas Ähnliches.
    Als Erstes stand der Hund auf, dann sofort auch die Frau. Sie sah sonderbar unförmig aus.
    Ist schon gut, Zsazsa, sagte sie, und der Hund setzte sich wieder.
    Jule musste zweimal hingucken, bis sie verstand, was mit der Frau los war, aber jetzt, ohne den alten Mantel oder die Jacke im Glockenschnitt, die sie in der Meile angehabt hatte, gab es keinen Zweifel: Die Frau war schwanger.
    Jule wurde es schwindlig. Sie hatte keine schwangere Frau mehr gesehen, seit sie aus der Pflichtschule und dem elften Distrikt draußen war.
    Natürlich gab es auf den meisten Kanälen den Spot mit der Frau, die erklärte, was man in diesem Fall zu machen hatte und wie man den Antrag ausfüllen musste, damit man eine Wohnung mit Kinderzimmer bekam und möglichst früh schon in die Vorsorge aufgenommen werden konnte.
    Geben Sie Ihrem Kind eine Chance, sagte die Frau in dem Spot immer und legte sich dabei die Hand auf den Bauch, und genießen Sie sorglos das einzigartige Wunder der Mutterschaft.
    Aber leibhaftig konnte Jule Tenbrock sich an keine schwangere Frau erinnern und fand den Anblick irgendwie peinlich. Irgendwie obszön.
    Auf der Kochplatte stand eine Pfanne.
    Pola Nogueira, sagte die Frau. Sie erinnern sich ­sicher.
    Tut mir leid, sagte Jule, ich hatte den Namen vergessen.
    Sagen Sie Pola, sagte Pola.
    Jule fand es merkwürdig, wie erwachsen die junge Frau ihr erschien. Sie war mindestens fünf Jahre jünger als sie selbst.
    Weshalb ich eigentlich gekommen bin, sagte sie und fühlte sich unsicher und linkisch, weil sie nicht wusste, wo sie hingucken sollte. Sie konnte Pola ja nicht die ganze Zeit auf den Bauch starren.
    Ja, sagte Pola und wartete.
    Jule zeigte auf die Pfanne und sagte, das ganze Haus riecht danach.
    Gratuliere, sagte
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