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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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zwei Mal im Büro auf- und abgegangen.
    Nachdem er draußen und die Tür wieder zu gewesen war, hatte Yvi zu Jule gesagt, so genau wollten wir’s nun aber auch wieder nicht wissen.
    *
    Es war eine Begegnung der dritten Art.
    Bist du in Ordnung, hatte Abramowski gesagt, nachdem Zwi ihn auf dem Berg Karmel begrüßt hatte, und Zwi hatte gegrinst.
    Jesaja 32, hatte er gesagt. Acker oder Fruchtgarten, das kannst du lesen, wie du willst.
    Du liest die Bibel, hatte Abramowski gesagt, und ihm war kurz eingefallen, dass er bis zum heutigen Tag den Kubrick noch auf dem Stick und nicht ein einziges Mal angeschaut hatte, dabei hatte der Kubrick mit der Bibel nichts zu tun, es war ihm nur eingefallen, weil Kirk Douglas am Schluss gekreuzigt wird. Eine Wahnsinnsszene, dachte er: Kirk Douglas hängt am Kreuz, und Jean Simmons ist auf dem Weg aus der Stadt hinaus, sie kommt an den Kreuzen vorbei und hält das Baby hoch, damit Spartakus seinen Sohn noch einmal sehen kann und weiß, seine Frau und sein Kind sind frei.
    Zsazsa war verängstigt und winselte leise. Timon setzte sich neben sie unter den Mirabellenbaum und nahm ihren Kopf in den Arm. Nach einer Weile beruhigte sie sich, streckte sich aus, behielt Zwi aber weiterhin argwöhnisch im Auge.
    Nach und nach stellte Abramowski fest, dass Zwi die Bibel nicht nur las, er kannte sie auswendig. Früher hatte er auch schon aus dem Kopf ganze Seiten aufsagen können, Timon erinnerte sich an ein aufgeschlagenes Buch, das Zwi ihm einmal hingehalten und aus dem er ganze Passagen auswendig hatte aufsagen können, aber er erinnerte sich nicht mehr daran, von wem das Buch gewesen war.
    Zwis Art, das Gespräch zu führen, kam ihm vor wie eine Aneinanderreihung von Bibelsprüchen, wo­bei Timon die Bibel zuletzt als Kind in der Hand gehabt hatte, kurz vor der Kommunion, also sprach Zwi für ihn in Rätseln, die er immer mit einer genauen Kapitel- und Versangabe versah.
    Wie ist es dir ergangen seit damals, sagte Timon.
    Zum Fürchten, sagte Zwi. Lukas 12, Vers 5.
    Kannst du das etwas genauer erklären?
    Zum Fürchten sind die, die nicht nur töten, sondern die Macht haben, einen durch die Hölle zu schicken.
    Exzentrisch und durchgeknallt, dachte Timon und sagte, übertreibst du jetzt nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, warst du auf einem Spitzeninternat, nicht bloß auf der Pflichtschule in Hainegg. Und wie ist es weitergegangen?
    Was Zwi dann erzählte, vielmehr das, was Abramowski von dem verstand, was der Freund von sich gab und was er hinterher irgendwie sortieren musste, beunruhigte ihn. Wenn er ihn richtig verstand, war Zwi nach der Schule auf eine Universität der Stiftung gekommen, wo sie lernten, wie man in Häusern wohnt, die andere gebaut haben, wie man Wein trinkt, den andere gekeltert haben, wie man Früchte isst, die andere gepflanzt haben, und wie man es anstellt, dass diese anderen ihre Kinder für einen frühen Tod zeugen.
    Oder besser gleich gar nicht. Was meinst du, Tusnelda, besser gar nicht, schloss Zwi seinen Monolog und strich seiner Ratte über den Rücken. Das ­haben wir gründlich gelernt, als es noch sieben Mil­liar­den gab. War ja auch ein Wahnsinn. Achtzig Prozent davon überflüssig. Erinnerst du dich an Pareto?
    Timon schüttelte den Kopf und wartete, bis Zwi seiner Rede die Ortsangabe hinzugefügt hatte. Diesmal war es wieder der Prophet Jesaja.
    Kapitel 65, merkte sich Timon, die Verszahlen versuchte er gar nicht erst zu behalten, aber er nahm sich vor, in der Villa die Bibliothek durchzugehen. Die meisten Leute, die Bücher gehabt hatten, hatten auch eine Bibel in ihrem Regal, und Timon beschloss, sich das Buch Jesaja anzusehen, falls er eine Bibel finden würde.
    Es wurde ihm dann allerdings schnell klar, dass es mit Jesaja nicht getan sein würde.
    Zwi behauptete, nach dem Studium in irgend­einem Palastbezirk gelebt und offenbar reichlich gefeiert zu haben.
    Im Park fand die Feier statt, sagte er, es war ein echtes Festgelage. Party. Tagelang. Tag und Nacht.
    Timon schaute ihn ungläubig an, und darauf wurde Zwi etwas genauer: Du musst dir das so vorstellen, sagte er, dreißig Stockwerke hoch, die Hütte, mitten auf einer Insel. Da kommst du nur per Schiff oder Hubschrauber ran. Ein Landeplatz auf dem Dach, ein zweiter in der Nähe der Golfplätze, etwas entfernt vom Strand. Vom Wasser aus nicht zu sehen. Und eine Pracht, sagte er.
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