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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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die Frau, die Jule nicht kannte.
    Das ist eine Freundin von früher, sagte Abramowski, Regine Novak. Kommt aus dem Klinikkomplex Doktor Riedinger.
    Da sind Sie ganz schön lang unterwegs gewesen, sagte Jule verlegen. Der Klinik-Distrikt liegt am anderen Ende der Stadt.
    Mögen Sie mit uns essen, sagte Abramowski, die Bratkartoffeln dürften gleich fertig sein. Er zeigte auf eines der bunten Kissen auf dem Boden. Jule setzte sich und schaute sich den Angebotsprospekt an, der vor ihren Füßen ausgebreitet war. Holzfällerbox, Andalusischer Sommer, Swinging Hawai, stand da, und die Meeresbrisebox gab es für zwanzig Extrapunkte.
    Plötzlich fiel ihr Clemens ein, an den sie seit dem Oktoberfest fast überhaupt nicht mehr gedacht hatte; seit diesem schmierigen Pseudomoderatorenauftritt, Applaus für die tapfere junge Dame, ich glaube, mir ist gerade was angebrannt.
    Plötzlich wusste Jule, dass sie die Kartoffelpuffer gern probiert hätte, die Clemens hatte anbrennen lassen wegen dieses dämlichen Telefonats. Natürlich stand das im Drehbuch von »Grandma’s Cooking Corner«, dass die Omagerichte anbrennen müssen, aber Jule wusste plötzlich, dass sie es gemocht hätte, wenn Clemens den Mut gehabt hätte, einmal vom Drehbuch abzuweichen; schließlich hatte sie selbst die Zwiebeln geschnitten, wenigstens ihr zuliebe hätte er einen Kartoffelpuffer vor dem Anbrennen retten und ihr zum Kosten geben müssen, und Jule verstand, dass sie ihn deshalb verachtete: weil er zu feige gewesen war, ihr zuliebe einmal etwas nicht genau so zu machen, wie es in seiner Anweisung stand.
    Ja gern, sagte sie, ich glaube, ich würde gern ein paar Bratkartoffeln probieren. Der Satz kam mit Sicherheit nicht aus ihrem Kopf, weil ihr Kopf ihr niemals erlaubt hätte, so etwas zu sagen, geschweige denn unter so unhygienischen Umständen zubereitetes Essen überhaupt in ihre Nähe zu lassen, aber dies hier war eindeutig nicht angebrannt, sondern duftete verführerisch, und wenn Clemens ein Kartoffelpufferfeigling gewesen war, dann war Abramowski jetzt ein Bratkartoffelheld. Er hatte einen Schieber aus Holz genommen, damit gab er die duftenden Bratkartoffeln auf die königlichen Teller. In der Pfanne hatten sie unscheinbar ausgesehen, aber sobald sie auf dem schönen Teller lagen, verwandelten sie sich in königlich glänzende, knusprige Bratkartoffeln. Abramowski nahm vier Gabeln aus der Schüssel, in der das Besteck lag, und sagte, na dann, guten Appetit.
    Der Hund hatte auch Appetit, das konnte man sehen, er schnupperte in Richtung Bratpfanne, blieb aber in einiger Entfernung still sitzen.
    Schwer ist die, sagte Jule, als ihr Nachbar ihr eine Gabel in die Hand drückte.
    Die Bratkartoffeln waren merkwürdig. Erst war Jule ein bisschen enttäuscht, weil sie längst nicht so stark schmeckten, wie sie gerochen hatten, aber je länger sie kaute, desto mehr Geschmack kam dabei heraus, und desto süßer wurden die Zwiebelstücke.
    Schmeckt’s, sagte Renate Novak neugierig.
    Seltsam, sagte Jule. Nicht ganz so, wie ich dachte, aber sehr gut.
    Gratuliere, sagte Renate zum zweiten Mal.
    Wieso, sagte Jule, und Renate lachte.
    *
    Nach dem Besuch von Regine Novak schwirrte Pola der Kopf.
    Lass nur, ich kann den Abwasch machen, hatte ­Timon gesagt, als er sah, wie erschöpft und ratlos sie war und wie gefangen sie sich auf ihrem Dachboden fühlte.
    Ich komm nachher noch mal hoch, sagte er.
    Regine hatte sich aufgeschrieben, was sie im elften Distrikt über die Vorsorge erfahren hatte.
    Was bin ich froh, dass ich mein Kind damals noch in Hainegg bekommen habe, hatte sie gesagt, Doktor Pabst, die Hebamme, und das war’s.
    Dann hatte sie vorgelesen, was Pola bereits versäumt hatte, weil ihre Schwangerschaft nicht betreut worden war.
    Nackentransparenzmessung, hörte Pola, Nasenbeinmessung, Fetometrie, Doppel-Sonographie, Triple-Test, Ersttrimester-Screening, hier unterbrach sie Regine: Lassen Sie mir den Zettel einfach da, ich kann mir das doch nicht merken.
    Jetzt saß sie auf dem Dachboden und las sich alles durch, was Regine Novak erfahren hatte. Zsazsa hatte den Kopf in ihren Schoß gelegt und schniefte von Zeit zu Zeit durch die Nase.
    Vasopressinreduzierung, las Pola, als sie sich bis zur Geburt durch die Fremdwörter durchgekämpft hatte. Oxytocin. Was zum Teufel, soll das sein.
    Dann biss sie ihre Zähne aufeinander, schaute auf
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