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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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ihren Bauch hinunter und sagte, komm Kleines, die drei Monate halten wir auch noch durch.
    In ihrer Wohnung saß Jule Tenbrock und war verwirrt, weil Regine Novak ihr zu einem intakten Geruchs- und Geschmackssinn gratuliert hatte.
    Das ist inzwischen eher eine Seltenheit, hatte sie gesagt, und als Jule sie argwöhnisch angeschaut hatte, hatte sie gesagt, dass die neue Pheromonge­neration noch nicht ganz ausgereift war, es käme gelegentlich zu unerwünschten Nebenwirkungen. Eigentlich sehr häufig, hatte sie sich korrigiert, Geruchsillusionen, Geschmackshalluzinationen, aber die Stiftung arbeitet daran.
    Was ist ein Pheromon, hatte Abramowski gesagt.
    Das sind Duftstoffe, hatte Regine gesagt.
    Mit Pheromonen spielt man nicht, hatte Franz Mering gesagt.
    Wieso eigentlich nicht, dachte Jule. Sie liebte jede neue Teesorte und freute sich auf den Moment, wo sich im Wasser das Aroma entfalten konnte, und wie das duftete. Bis heute Mittag war sie entschlossen gewesen, sich eine fünfte Sprühflasche Vaporix zu besorgen, eigentlich ein Luxus, weil es nur drei pro Haushalt auf die Di-Card gab, aber für »Apple-Blossom« hätte sie sich die dreißig Punkte abbuchen lassen, wenn nicht heute Mittag Franz Mering so wütend gewesen wäre. So ein freundlicher Mann, und dann so ein Wutanfall. Jule würde mit »Apple-Blossom« noch warten.
    In seiner Wohnung saß Timon Abramowski nach dem Abwasch vor dem Bildschirm und überlegte, ob er sich einen von seinen alten Verschwörungsfilmen ansehen sollte. »Mord im Weißen Haus« fiel ihm ein, aber als er es sich genau überlegte, hatte er darauf keine Lust. Er hatte so sehr keine Lust, dass er sich dabei erwischte, wie er dachte, den könnte ich eigentlich löschen. Den »Unsichtbaren Dritten« von Hitchcock würde er nicht löschen. Eigentlich hatte er gedacht, dass er bis an sein Lebensende ­immer wieder mal Lust haben würde, sich den »Unsichtbaren Dritten« anzusehen, aber heute hatte er keine Lust, und er spürte, dass das bis an sein Lebensende so bleiben würde. Er hatte nicht einmal Lust auf Fincher, obwohl er eigentlich alles von Fincher liebte. Alles bis auf »Millennium« natürlich, und besonders liebte er »The Game«.
    Komischer deutscher Titel, »Das Geschenk seines Lebens«, dachte Timon Abramowski. Und wusste im selben Moment, dass er auch keinen Film von David Fincher mehr sehen würde. Dass er überhaupt keine Filme mehr sehen würde.
    Er nahm es sich nicht vor, sondern es war einfach so. Von einem Moment auf den anderen hatte Abramowski verstanden, was Zwi Benda ihm oder seiner Tusnelda hatte erzählen wollen, und er wusste, dass Pola Nogueira und ihr Kind das Geschenk seines Lebens waren.
    Drei Monate müssen wir noch durchhalten, dachte er. Wahrscheinlich eher vier.
    *
    Es war nicht meine Idee, sagte Pola, als Timon und sie Jule Tenbrock die fehlenden Teile für ihr Service gaben.
    Jule wurde allmählich zutraulicher. Das erleichterte Pola das Leben auf dem Dachboden sehr, ­besonders nachdem Jule eines Tages zu ihr hoch­gekommen war und gefragt hatte, ob sie Zsazsa streicheln dürfe.
    Was meinst du, Zsazsa, sagte Pola. Darf sie.
    In der letzten Zeit hatte sie manchmal das Bild wieder vor Augen, wie Zsazsa die Haare am Nacken aufstellt, wie sie grollt und zum Sprung ansetzt, die Zähne fletscht und wie sie sich später winselnd ganz platt auf den Boden drückt, sie hatte den ganzen ­langen Weg durch die endlosen Felder wieder vor Augen und konnte ihn nicht wegschieben oder ­-wischen, die riesige Maschine mit den riesigen Scheinwerfern auf den Feldern, und Zsazsa, wie sie bis aufs Blut kämpfte, und hinterher lag sie ganz platt und halb tot auf dem Boden, Pola lag auch halb tot auf dem Boden.
    Aber jetzt sind wir beide am Leben, dachte sie.
    Darf ich, sagte Jule noch einmal zaghaft, weil Pola nicht sofort Ja gesagt hatte.
    Ich denke, das lässt sich machen, sagte Pola.
    Jule bewegte ihre Hand auf Zsazsas Nase zu, und Zsazsa hob den Kopf, weil die Bewegung sie irritierte.
    Jule zuckte und zog sofort ihre Hand zurück.
    Pola sagte, Sie müssen keine Angst haben. Angst hilft nicht.
    Komm, Zsazsa, wir erklären ihr, wie es geht, sagte sie. Sehen Sie, sie mag das.
    Schließlich strich Jule dem Hund über den Rücken und sagte, fühlt sich richtig gut an.
    Als es kälter wurde, bot sie Pola an, Zsazsa gelegentlich abends
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