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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens
Autoren: Nicolas Barreau
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runtergegangen – hier entlang …« Sie
zeigte in Richtung Seine.
    Ich nickte.
Ich ließ Julie stehen und lief los.

31
    Den
ganzen Vormittag hatte es geregnet. Jetzt, wo es darauf angekommen wäre,
regnete es nicht. Nein, es wölbte sich kein strahlend blauer Frühlingshimmel
über Paris – der Wind trieb dicke Wolken vor sich her. Aber der verdammte Regen
blieb aus. Und deswegen hatte auch niemand seinen Schirm aufgespannt.
    Mit
klopfendem Herzen lief ich die Rue Bonaparte entlang, ich lief um mein Leben.
Meine Blicke suchten die Straße ab nach einer blonden Frau, drangen durch
Schaufenster und verglaste Türen, sausten nach rechts und links in die Rue
Jacob, die Rue de l'Université, die Rue de Visconti … Wer sagte mir, ob sie
nicht schon längst im Ladurée bei einem Himbeertörtchen saß oder sich irgendwo
Schuhe kaufte, enttäuscht über einen Mann, dem sie ihr Lächeln geschenkt hatte
und ihr Vertrauen, dem sie ihre Telefonnummer gegeben hatte und der nicht
zurückrief und die hohe Kunst beherrschte, immer zur falschen Zeit am richtigen
Ort zu sein.
    Leise
fluchend lief ich die Straße weiter. Wenn ich nicht so lange auf der Place de
Vosges gesessen hätte, wenn ich nicht noch diesen Salat gegessen hätte. Wenn,
wenn, wenn …
    Wir hatten
uns nur um wenige Minuten verpaßt. Sie war ganz in meiner Nähe, aber wo?
    »Wo bist du
Isabelle, wo bist du, meine Schöne?« flüsterte ich. »Zeig dich mir, bitte …
bitte.« Es klang wie ein Gebet.
    Ich war am
Ende der Rue Bonaparte angelangt und stand vor dem Quai Malaquais. Ich konnte
nach rechts gehen, ich konnte nach links gehen, ich konnte in die Seine
springen.
    Ich sah
keine Isabelle, und ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte.
    In einer
theatralischen Geste breitete ich die Arme aus und blickte in den Pariser
Aprilhimmel. »Jetzt tu doch was, tu endlich was!« rief ich verzweifelt, und ich
wußte selbst nicht genau, an wen sich dieser Hilfeschrei richtete, an mich, an
die dicke graue Wolke über mir oder an Gott, wenn es ihn gab.
    Auf jeden
Fall hatte irgend jemand meinen Schrei gehört. Erst dachte ich, daß es Tränen
waren, die mir über die Wangen liefen, dann spürte ich, daß es Regentropfen
waren.
    Die Ampel
wurde grün. Ich lief hinüber und starrte angestrengt in beide Richtungen. Der
Verkehr brauste an mir vorbei. Auf der Seine unter mir fuhren Boote. Entlang
des Quais bewegten sich Gestalten mit und ohne Regenschirm. Ich sah nach links
zum Pont du Carrousel. Ich sah nach rechts zum Pont des Arts. Und dann
entdeckte ich einen roten Tupfer, der sich auf die Brücke zubewegte.

32
    Ich
flog an den Ufern der Seine entlang wie im Traum. Rannte ich? Ich kann es nicht
sagen. Ich spürte meine Beine nicht, es war alles ganz leicht. Der rote Schirm
zog mich zu sich wie ein Magnet. Der Regen berauschte mich wie Champagner. In
wenigen Minuten hatte ich sie eingeholt.
    Sie ging
vor mir her in ihrem Trenchcoat, nichts ahnend, die blonden Haare flossen über
ihre Schultern wie Honig, der rote Schirm wippte bei jedem ihrer Schritte.
    Ich kostete
diesen kleinen Augenblick unvorstellbaren Glücks, der nur mir allein gehörte,
ein paar Sekunden aus. Dann sagte ich ihren Namen.
    »Isabelle«,
rief ich leise, und dann noch einmal: »Isabelle.«
    Sie drehte
sich um. Vor mir stand die Frau, die ich mit meinem Herzen umarmen wollte. Ich
sog das Bild in mich auf wie jemand, der die Wüste durchquert hat und den
ersten Schluck Wasser trinkt. Ich schwor mir, diesen Moment niemals zu
vergessen.
    Isabelles
braune Augen weiteten sich vor Überraschung, und kleine Goldpartikelchen
funkelten in ihrem Blick. Sie sah mich schweigend an. Sie schien erstaunt,
irritiert, verärgert, glücklich.
    » Mon Dieu! Wo kommen Sie denn auf einmal her?« fragte sie.
    Ich zeigte
nach oben. »Bin direkt vom Himmel gefallen.«
    Sie verzog
den Mund zu einem Lächeln. Ich lächelte auch.
    »Sie haben
aber ziemlich lange gebraucht«, sagte sie dann und sah mich streng an. »Ich
werfe nicht jeden Tag einem Fremden meine Telefonnummer hin, wissen Sie?«
    »Ich weiß,
Isabelle, ich weiß …« Ich hob meine Arme in einer Geste, die ihr zeigen sollte,
daß ich unschuldig war. Ich würde mich auf den Boden werfen und ihre
wunderhübschen Füße küssen, damit sie mir verzieh.
    »Wie haben
Sie mich überhaupt gefunden?« Es klang versöhnlich.
    »Och«, winkte
ich ab, »das war ganz einfach.« Sie sah mich überrascht an.
    Ich warf
einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor drei. Ich schloß für
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