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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens
Autoren: Nicolas Barreau
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schwatzten und in eine Richtung schauten.
Offenbar warteten alle auf das Brautpaar. Es war noch nichts verloren!
    Ich rannte
an ihnen vorbei, auf das Portal der Kirche zu, das weit offen stand. Die Kirche
war leer. An den Bänken hingen kleine bunte Blumensträuße. Wo war Isabelle?
    Ich drehte
mich um und ließ meinen Blick über den Platz schweifen. Und dann sah ich das,
was alle anderen auch sahen, und mein Herz blieb stehen. Langsam zoomte ich die
Szene heran.
    Ein alter
himmelblauer Citroen stand am Ende des Platzes an der Straße geparkt. Um die
Stoßstange hatte jemand eine dicke weiße Schleife aus Tüll gebunden. Die
Menschentraube wogte dem Wagen entgegen wie eine bunte Welle. Vor dem Citroen
unter einem schwarzen Schirm stand unverkennbar Snape und half der Braut aus
dem Wagen. Man sah ihr weißbestrumpftes Bein und ein kleines Stück vom
Schleier, der sich einen Moment in der Autotür verfing. Doch was war das? Die Braut
stieg nicht aus.
    Ich kniff
die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Und dann begriff ich es endlich.
Ich stand da, unfähig mich zu bewegen.
    Snape half
der Braut nicht auszusteigen. Er half ihr einzusteigen. Dann machte er seinen
Regenschirm zu, ging auf die andere Seite und setzte sich hinter das Steuer.
Ich hörte das Knallen der Autotür. Ich nahm wahr, wie der Motor ansprang und
der Wagen unter den Beifallsrufen der Gäste langsam losrollte.
    Das letzte,
was ich sah, war eine kleine weißbehandschuhte Hand, die aus dem halbgeöffneten
Fenster winkte.
    Ich war zu
spät gekommen.

28
    Ich
ließ mich auf die Stufen der Kirche sinken und starrte dem Hochzeitsauto nach.
Ich saß inmitten von Rosenblättern, aber es hätte ebensogut auch Hundescheiße
sein können.
    »Kommen Sie
auch noch mit ins Restaurant?« fragte jemand, der sich aus dem Nichts vor mir
materialisierte.
    Ich senkte
den Blick. Ich sah auf einen grün-karierten Regenschirm, dann auf den jungen
Mann, der ein paar Stufen unter mir stand. »Tolle Hochzeit, was?« fragte der
Mann mit dem Schirm. »Ein schönes Paar.« Er nickte begeistert.
    Ich starrte
ihn an wie ein waidwundes Tier. Er hatte das Messer, das in meinem Herzen
steckte, noch einmal umgedreht.
    »Gehören
Sie auch zum Orchester?« Offenbar umgab mich die Aura eines russischen
Musikers, der gerade seinen melancholischen Einbruch hat, eben das, was man
gemeinhin die russische Seele nennt.
    Ich machte
eine unbestimmte Bewegung mit dem Kopf.
    »Sie sind
sicher ein Freund von Dimitri, was?« fragte der Mann mit dem Schirm kumpelhaft.
Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mir auf die Schulter geklopft. »Ein
klasse Typ, dieser Dimitri«, setzte er hinzu.
    Meine Augen
verengten sich, und ich überlegte, ob ich diesen freundlichen jungen Menschen
einfach niederschlagen sollte.
    Aber mit
einem Mal traf mich die Wucht meines einsamen Unglücks wie eine dieser schweren
Kugeln, mit denen man Häuser einreißt. Ich stand auf, schwankte einen Moment,
und dann ging ich die erste Stufe hinunter.
    »Nein, nein«,
sagte ich müde. »Kein Freund. Ich gehöre gar nicht zur Hochzeitsgesellschaft.
Ich bin eigentlich nur zufällig hier.«
    Es hatte zu
regnen aufgehört. Ich ging los, ohne zu wissen, wohin.

29
    Manchmal
kann man auf einem der schönsten Plätze der Welt sitzen, und es kann einen nur
noch trauriger machen.
    Ich weiß
nicht, ob die Place de Vosges einer der schönsten Plätze der Welt ist, weil ich
noch nicht an allen Plätzen dieser Welt gewesen bin. Ich weiß nur, daß es einer
der schönsten Plätze von Paris ist, und daß ich hier nun schon seit zwei
Stunden saß.
    Wie betäubt
war ich durch das Marais gelaufen und dann irgendwann in dieser kleinen Oase
der Stille gelandet, die mich in all ihrer Vollkommenheit unendlich traurig
machte.
    Ich saß auf
einer Bank wie ein alter Mann, der sehr viel Zeit hat, und war vorübergehend
aus dem Leben mit all seinen Zufällen und Unwägbarkeiten ausgestiegen. Alle
Hast war von mir abgefallen. Ich war ein Betrachter, ich spielte nicht mehr
mit.
    Selbst mein
Handy hatte das kapiert und seinen Geist aufgegeben.
    Gestern, vor
hundert Jahren etwa, war ich guter Dinge in die Mittagspause gegangen. Es war
nicht einmal vierundzwanzig Stunden her. Fast vierundzwanzig Stunden war ich
einem Traum nachgejagt, an den ich geglaubt hatte wie an nichts sonst.
    Es war
vorbei, und von der grünen Bank aus, auf der ich saß und die erhabenen Häuser
betrachtete, die den Platz in einem perfekten Quadrat umgeben, stellte sich
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