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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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–, die können ganz schön ungemütlich werden, diese Kerle … Sie ging rauf, um sich über den Krach zu beschweren. Es waren Ausländer, natürlich. Sie zogen sie in die Wohnung, und – alle miteinander – obwohl sie ’ne ältere Dame is –, und selbstverständlich haben sie ihre Strafe gekriegt, hinterher, aber was glauben Sie, was die Leute über sie reden, hinter ihrem Rücken, in dieser Stadt? O nee, da bleib ich lieber unter der Decke liegen.«
    »Aber die Polizei – Sie hätten doch die Polizei rufen können.«
    »Die Polizei«, schnaubte sie verächtlich. »Bis die gekommen wärn, wär ich schon ermordet gewesen, und dann hätt’s nich mehr viel geholfen. Mir, mein ich.«
    »Nein, das klingt logisch, ja.«
    Wir saßen einen Augenblick lang da und sahen einander an. »Tja.« Sie machte eine resignierte Armbewegung. »So sieht’s aus in Stavanger. Und nun muß er jedenfalls raus, ob er will oder nich!«
    »Aber erst müssen wir ihn finden.«
    »Also – das is Ihr Problem, oder?« sagte sie aufmunternd.
    »Wann fiel Ihnen ein aufzuschließen und in die Wohnung zu gehen?«
    Sie sah bestürzt drein. »Erst als die Mutter angerufen und mich drum gebeten hat. Ich komm doch nich auf die Idee …«
    »Aber, Sie müssen doch gehört haben, daß er nicht hier drin war. Oder daß er – sich nicht rührte jedenfalls. Er hätte ja krank sein können, oder es hätte ihm was passiert sein können.«
    »Ich dachte … Also, am ersten Tag, am Tag danach, da war ich so aufgeregt, daß ich gar nicht die Ruhe hatte zu horchen, ob er da war. Ich hab da so beruhigende Pillen, die der Arzt mir gegeben hat für den Blutdruck, verstehen Sie, und davon hab ich ein paar genommen. Und dann hab ich mich hingelegt, im Wohnzimmer, aufs Sofa, für den Fall, daß jemand kommen würde, mit einem kalten Lappen auf der Stirn und die linke Hand in einer Schale mit Salzlauge. Das hilft, sagt man.«
    »So, so.«
    »Und am Tag drauf rief die Mutter aus Bergen an, und ich hab es ihr gesagt, wie es war, daß ich ihn seit mehreren Tagen nich gesehn hatte. Und ich hatte nich das Herz, ihr von all dem – Krach zu erzählen.«
    »Und dann bat sie Sie, nachsehen zu gehen?«
    »Ja.«
    »Und was fanden Sie vor?«
    »Was ich vorfand? Nichts. Sie sehen ja selbst!«
    »Soll das bedeuten, daß es trotz all der Feierei und des Krachs, den Sie in der Nacht hörten, genauso sauber und ordentlich war, wie es jetzt ist?«
    »Ja, das kann ich Ihnen schwören. Das einzige, was ich angerührt hab, ist das Bettzeug. Ich weiß nich, wieso, aber ich glaub, ich hab vielleicht gedacht – diese beiden Frauenspersonen … Ich hab das Bettzeug nich mal selbst gewaschen. Ich hab’s zur Reinigung gegeben.«
    »Nicht ein Glas, nicht eine leere Flasche?«
    »Nein. Nichts. Nich mal ’ne Zigarettenkippe im Aschenbecher.«
    »Die Gäste haben also hinter sich aufgeräumt?«
    »Ja, finden Sie das so merkwürdig?«
    »Ja. Gerade das finde ich äußerst – verdächtig.«
    »Verdächtig?« sagte sie nachdenklich.
    »Ja, oder komisch eben«, sagte ich schnell.
    Ich suchte das Foto von Arne Samuelsen hervor und zeigte es ihr. »Um Mißverständnisse zu vermeiden – es ist dieser Kerl, von dem wir reden, nicht?«
    Sie blickte neugierig auf das Bild, drehte es um, um zu sehen, ob irgendwelche interessanten Informationen auf der Rückseite stünden. »Ja. Das is er. Aufs Haar genau«, sagte sie kurz.
    »Na, dann also gut.« Ich erhob mich. »Ich glaube, ich sollte Sie nicht länger aufhalten. Jedenfalls für heute. Wenn es sich ergeben sollte, daß ich mir seine Wohnung noch einmal ansehen muß …«
    »Wird das denn nötig sein?«
    »Seine Sachen durchsehen, versuchen, eine andere Adresse zu finden, einen Ort, wo er sich möglicherweise aufhält, damit …«
    »Aber …«
    »Und dann werde ich das nächste Mal die Miete mitbringen, ja?«
    »Aber Sie hatten versprochen …«
    »Ich muß es erst mit seiner Mutter absprechen. Der Ordnung halber.«
    »Sie können bei mir unten telefonieren.«
    »Ich muß auf jeden Fall erst zur Bank. Um welchen Betrag handelt es sich?«
    Ihr Blick flackerte in den Raum hinein und wieder zu mir zurück. »Nur zwölfhundert. Das is noch billig.«
    »In Stavanger heutzutage? Ja, ich kann es mir denken.«
    Wir hatten einander nichts mehr zu sagen. Sie folgte mir nach unten, wie ein losgelöster Schatten. »Und Sie kommen wieder?« fragte sie, als ich ging.
    Ich nickte bestätigend. Aber nur, wenn es unbedingt sein muß, sagte ich leise zu mir selbst
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