Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
ein flacher Tisch, vier Stühle, ein verbeultes Sofa, ein Farbfernseher, eine abgenutzte Kommode und ein Kleiderschrank. An den Wänden hingen keine Bilder, außer der Anschauungstafel einer Bohrinsel, mit drei Heftzwecken befestigt, so daß die linke Ecke sich langsam hochrollte. Die Tafel zeigte im Querschnitt, wie die Bohrinsel von innen aussah. Der Text war auf englisch.
    Der Raum war absolut aufgeräumt. Es war, als sei er von persönlichem Besitz gereinigt worden. Nicht eine Zeitung lag unter dem Tisch, nirgends war ein Kleidungsstück zu sehen.
    Durch eine halboffene Tür konnten wir in die Küche sehen. Dort brummte schwach ein Kühlschrank. Ich streckte den Kopf in den Türspalt und sah mich um. Eine leere Saftflasche auf der Anrichte, eine Streichholzschachtel und ein Wischtuch. Auf der Fensterbank lag eine alte, vergilbte Zeitung, die offensichtlich als Keil benutzt wurde, wenn das Fenster offenstand.
    »Das Schlafzimmer is da drin«, sagte Frau Eliassen hinter mir.
    Wir gingen durch die Küche und rechts hinein. Das Schlafzimmer hatte die Größe einer alten Speisekammer und wurde von einem einfachen, schmalen Bett fast ausgefüllt. Neben dem Bett stand ein Nachttisch, die oberste Schublade stand etwas offen. Ich sah hinein und fand ein Postleitzahlenverzeichnis, die Broschüre einer Versicherungsgesellschaft und einen Roman, einen Western.
    Das Bett war frisch gemacht, das Bettzeug wirkte sauber. »Ich stell das Bettzeug«, informierte mich Frau Eliassen eifrig. »Sie haben’s lieber so, bezahlen lieber einen Aufschlag auf die Miete. Junggesellen.«
    »Haben Sie vielleicht das Bettzeug gewechselt – nachdem …«
    Sie nickte. »Selbstverständlich, wenn jemand gekommen wär und geguckt hätte … Dann …« Sie sah beinah schuldbewußt aus. »Aber – es war nichts – Besonderes. Es war sogar fast überhaupt nich dreckig. Er war ja bloß einen Tag zu Haus gewesen, und er …« Sie vollendete den Satz nicht.
    Ich sah mich noch einmal um. Dann gingen wir wieder hinaus in die Küche. » War es wirklich so ordentlich?« fragte ich.
    Sie ging weiter ins Wohnzimmer. »Ja. Ich hab sonst überhaupt nichts angerührt. Er hatte es so. Sehn Sie nur hier.« Sie ging zur Kommode und zog die oberste Schublade heraus. Hemden und Unterhemden lagen in peinlich exakten Stapeln übereinander. Sie öffnete die nächste Schublade. Unterwäsche und Strümpfe. Sie ging weiter und öffnete den Kleiderschrank. Anzüge, Jacken und Hosen hingen fein säuberlich auf ihren Bügeln. Ein Paar Stiefeletten und mehrere Paar Schuhe standen ordentlich nebeneinander auf dem Boden des Schranks.
    »Er ist offenbar nicht endgültig ausgezogen«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie frostig. »Noch nicht.« Sie saugte mit einem schmatzenden Laut Luft durch ihre Zähne. Wir blieben ungefähr in der Mitte des Zimmers voreinander stehen. Sie war eineinhalb Köpfe kleiner als ich. »Erzählen Sie, was passiert ist«, sagte ich.
    Sie bewegte den Kopf mit einem kleinen Ruck. »Es is nich meine Art, mich zu beklagen«, sagte sie.
    Ich lächelte verständnisvoll. »Natürlich nicht.«
    »Und er hat sich so tadellos aufgeführt bis jetzt, aber – man muß schließlich auf seine Nachbarn Rücksicht nehmen.«
    »Wohnen in diesem Haus denn noch andere?«
    »Nein. Seit ein paar Jahren nich mehr. Bevor mein Mann starb, hab ich nich vermietet, aber dann wurd es – schwieriger mit dem Geld. Ich brauchte alles, was ich kriegen konnte, und es kostete mich nich so viel, nach unten zu ziehen.« Sie sah sich in dem kleinen Wohnzimmer um. »Konrad und ich, wir hatten hier unser Schlafzimmer.«
    »Ach ja«, sagte ich in interessiertem Tonfall. »Wie lange vermieten Sie schon?«
    »Seit Konrad – seit 1975. Erst warn es ein paar Studenten, aber in den letzten Jahren waren’s Ölleute. Es hat sich ja ’ne Menge verändert, hier in Stavanger.«
    »Ja, ich hab es gesehen. Ich bin hier mal zur Schule gegangen.«
    »Ach, wirklich?«
    »Fachschule für Sozialwesen.«
    »Ach so.« Es sah nicht so aus, als mache das einen positiven Eindruck auf sie.
    »Vielleicht sollten wir uns setzen«, schlug ich vor.
    »Wir können ruhig stehenbleiben«, antwortete sie. »Es wird nich lang dauern. Wie gesagt – er hat sich tadellos aufgeführt bis zu dem Abend, als …«
    »Wann war das eigentlich?«
    »Das war – vor sechs Tagen. Er war am Abend davor an Land gekommen, und da kam er immer kurz rein und sagte guten Tag, damit ich auch sah, daß er es war, der da kam, wenn ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher