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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl
Autoren: Helene Tursten
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Stattdessen schottete er dich ab und erniedrigte dich. Er misshandelte dich, und zum Schluss brachte er dich um.
    Nein. Ich bereue meine Tat nicht.
    Sobald die Maschine gelandet war, fuhr ich mit dem Taxi zu meiner Wohnung. Meine Tasche trug ich nicht hoch, sondern stellte sie in die Garage. Obwohl ich das Auto seit einem Jahr nicht mehr benutzt hatte, zweifelte ich nicht daran, dass der Motor anspringen würde. Ich hatte Glück und begegnete niemandem im Treppenhaus oder Fahrstuhl. Als Erstes schnitt ich mir die Haare ab. Das sah zwar nicht sonderlich hübsch aus, aber veränderte mein Aussehen total. Anschließend suchte ich Per-Eriks Brille hervor. Sie lag noch in der Abstellkammer in seiner Aktentasche. Mit ihr auf der Nase erkannte selbst ich mich nicht wieder. Dann suchte ich alle Arzneimittelproben zusammen, die ich hatte. Ich wusste, dass du Rohypnol, Temesta und Tiparol im Haus hast. Das Esucos und die anderen Mittel benutzte ich, um die Wirkung dieser Medikamente zu verstärken. Stimmt, ich hatte auch Natriumpentobarbital. Vermutlich hatte ich es mal als Kuriosum behalten.
    Die Tabletten zerkleinerte ich in einem Mörser und löste sie in Wasser auf. Die Lösung goss ich in eine kleine Glasflasche mit Schraubverschluss. Spritzen, Kanülen und Handschuhe lagen im Schrank. Der blaue Kittel war die Warenprobe eines Herstellers von Arbeitskleidung. Wir sollten diese Kittel für die Klinik bestellen. Wir nahmen damals andere, aber dieser eine war bei mir liegen geblieben. Jetzt kam er wie gerufen. Eimer, Mopp und Putzlappen stammten aus meinem eigenen Putzschrank. Als Letztes nahm ich ein paar Fotos von dir und rahmte sie. Eine Diskette mit einem eingescannten Foto von dir packte ich ebenfalls ein, um sie auf deinem Computer zu installieren.
    Ich verstaute die Sachen im Auto und fuhr in die Stadt.
    Dort nahm ich mir ein Zimmer in einem Hotel. Neben dem Hotel lag ein Frisör, bei dem nicht vorbestellt werden musste. Dort ließ ich mir die Haare nachschneiden. Als die Friseurin mich fragte, wie ich zu meiner Frisur gekommen sei, antwortete ich, meine siebzehnjährige Tochter hätte versucht, mir die Haare zu schneiden, da sie so gern das Frisörhandwerk erlernen wolle. Die Friseurin schüttelte nur den Kopf und sagte nichts weiter. Anschließend kaufte ich an der Wurstbude vor dem Hotel eine Bockwurst mit Brot und Kartoffelbrei und aß sie auf dem Zimmer. Nachdem ich gegessen hatte, versuchte ich zu schlafen. Vielleicht bin ich wirklich eine Weile eingeschlummert. Ich erinnere mich nicht. Am Tag darauf musste ich zeitig aufstehen, um mich in die Putzhilfe Flau Yamamoto zu verwandeln.
    Das Schlimmste war der Augenblick, als ich an seiner Tür klingelte. Wenn er jetzt ein Fotoalbum mit Bildern von uns beiden gefunden hatte? Du schriebst, dass er sich nicht die Bohne für unsere Familie interessiert habe und auch nicht wisse, dass ich adoptiert sei. Alles lief so, wie ich gehofft hatte. Der billigen Putzhilfe konnte er nicht widerstehen.
    Ich sah ihn mit seinem schicken Auto davonfahren. Er hatte es augenscheinlich eilig. Schließlich hatte ich ihn aufgehalten. Als Erstes streifte ich die OP-Handschuhe über. Sorgfältig spülte ich den Puder ab. Dann ging ich in die Küche und suchte die Weinflaschen. Eine Flasche Rotwein und zwei Flaschen Weißwein standen im Schrank. Ich wollte, dass er die Tabletten noch am selben Abend konsumiert. Du schriebst, dass er, je nach dem, was auf den Tisch käme, Rot- oder Weißwein trinke. Der Kühlschrank war fast leer. Mit dem Gefrierschrank hatte ich mehr Glück. Dort lagen zwei Tiefkühlpizzen. Pizza sprach für Rotwein. Vorsichtig durchstach ich die Aluminiumfolie über dem Korken und dann den Korken mit einer relativ dünnen Kanüle. Ich entnahm die Menge Wein, die ich in Form der Lösung in die Flasche füllen wollte. Ich wollte den Wein mit einer tödlichen Lösung aus Wasser und Tabletten vermischen.
    Anschließend überzeugte ich mich, dass der Einstich nicht zu sehen war. Wer nicht wusste, dass er da war, würde ihn nicht entdecken. Ich stellte die gerahmten Fotos an Stellen auf, an denen er sie nicht sofort bemerken würde, falls er eine Runde durchs Haus machte, ehe er mit dem Abendessen begann. Rasch installierte ich das Bild von der Diskette auf dem Computer auf deinem Schreibtisch. Ich wusste, dass er den PC praktisch nie verwendete. Er gehörte dir und war vermutlich der einzige Gegenstand, den du in seinen vier Wänden aufstellen durftest. Zum Schluss legte ich dann
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